Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
ein paar Monate her, aber Johnny würde nie vergessen, wie sie ihm nachgejagt waren. Er legte die Hand an die Scheunenwand. Die kantigen Balken waren rissig vom Alter, und die Fugendichtungen waren größtenteils zerbröselt, aber das Gebäude war noch solide genug. Johnny spähte mit einem Auge durch eine Ritze hinein. Dunkelheit. Stille. Er ging zur Tür.
    Drinnen stieg er auf einen alten Eimer, hob den Arm und tastete oben auf dem Türbalken herum. Er musste sich weit strecken, doch dann fühlte er ihn — genau da, wo er ihn zurückgelassen hatte. Mit einem scharrenden Geräusch und einem Regen von Mäusekot kam der Rucksack herunter. Er war blau und stockfleckig, und die Nähte am Boden waren immer noch rötlich-braun gefleckt. Johnny atmete den Geruch ein, den Gestank von Erde und Vogel und toten Pflanzen. Er ließ ihn draußen auf den Boden fallen, spähte mit zitterndem Atem ins Gestrüpp und lauschte angestrengt.
    Dann holte er trockenes Holz aus der Scheune und zündete ein Feuer an. Ein großes Feuer.

ELF
    A ls Hunt in David Wilsons Einfahrt bog, vertrieb ein starker Wind die letzten Gewitterwolken. Er schaute sich um und sah, dass kleine Teile der Welt silbrig weiß geworden waren: eine Pfütze auf dem Beton der Einfahrt, die Wassertropfen auf der Motorhaube seines Wagens. Die Straße endete an der Rückseite eines gesichtslosen Gebäudes am Rand des College-Campus. In den gepflegten Häusern wohnten Angehörige des Lehrkörpers und ein paar Studenten, deren Eltern reich genug waren, um die Miete aufzubringen. Die Grundstücke waren schmal, die Bäume hoch und breit. In den Fugen zwischen den alten Betonplatten wuchs Grünzeug. Unkraut, Moos. Die Luft roch nach Pflanzen.
    Der Regen hatte dafür gesorgt, dass die Nachbarn in ihren Häusern blieben, daher war die Anwesenheit der Polizei kaum aufgefallen, aber Hunt sah die ersten Anzeichen dafür, dass sich das bald ändern würde. Vier Häuser weiter stand ein Mann am Straßenrand; ein Plastikbeutel baumelte an seiner Hand, und er starrte herüber. Auf der anderen Straßenseite glühte eine Zigarette in der Dunkelheit. Hunt fluchte leise vor sich hin und ging auf die Haustür zu. Ein kleines Tudor-Haus, dessen Fachwerkgerüst aus altersfleckigen Balken mit dunklen Backsteinen ausgefüllt war. Ein Rasenstreifen trennte es vom Nachbarhaus, und in der hinteren Ecke, abseits des Hauses, stand eine Doppelgarage. Hunt sah Yoakum hinter einem Fenster, an dem die Vorhänge nicht zugezogen waren.
    Der Holzfußboden im Haus war narbig von langer Benutzung und nachlässiger Pflege. Rechts führte eine Treppe nach oben; das Geländer glänzte dunkel. Die Küche lag hinten. Edelstahl schimmerte, und weißes Linoleum leuchtete im harten Licht der Lampen. Ein uniformierter Polizist nickte aus dem Wohnzimmer herüber, und Hunt nickte zurück. Ein zweiter drehte sich um, dann ein dritter. Keiner sah Hunt in die Augen, aber das verstand er.
    Es sah alles sehr vertraut aus.
    David Wilson war Professor gewesen, und das Haus fühlte sich so an: dunkles Holz, offenes Mauerwerk und ein Geruch von frischem Tabak oder altem Marihuana. Yoakum kam aus dem Esszimmer, und sein Lächeln war mechanisch und nichtssagend. »Ich bringe keine frohe Botschaft«, sagte er.
    Hunt sah sich um. »Fangen Sie vorn an.«
    »Das Haus gehört dem College. Wilson hat es als Bonus bekommen. Er ist seit drei Jahren hier.«
    »Netter Bonus.« Hunt betrachtete seine Umgebung noch einmal und sah, dass die anderen Cops ihm kurze Blicke zuwarfen. Auch Yoakum sah es und sagte mit leiser Stimme: »Sie machen sich Sorgen um Sie.«
    »Sorgen?«
    »Das mit Alyssa war gestern ein Jahr her. Niemand hat es vergessen.«
    Hunt kniff Mund und Augen zusammen und schaute sich um. Yoakum zuckte die Achseln. Auch in seinem Blick lag Unruhe und Besorgnis. »Erzählen Sie mir einfach von David Wilson«, sagte Hunt.
    »Er leitet den Fachbereich Biologie. Hoch angesehen, nach meinem Eindruck. Hat viel publiziert. Die Kids bewundern ihn. Die Verwaltung bewundert ihn auch.«
    »Sie haben dem College gegenüber klar zum Ausdruck gebracht, dass Wilson nicht unter Verdacht steht? Ich möchte nicht, dass der Ruf eines guten Mannes grundlos beschädigt wird.«
    »Er war ein wichtiger Zeuge, habe ich gesagt. Hat etwas gesehen und ist deshalb umgebracht worden.«
    »Gut. Was wissen Sie noch über David Wilson?«
    »Wir können mit dem hier anfangen.«
    Yoakum überquerte einen Orientteppich, der wahrscheinlich älter war als das Haus,

Weitere Kostenlose Bücher