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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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dieser Sekunde.«
    »Johnny —«
    »Ja oder nein, Jack.«
    »Alter...« Er war die personifizierte Antwort.
    Johnny sah es glasklar. »Kein Problem«, sagte er, und dann war er verschwunden.
    Katherine Merrimon stolperte die letzte Stufe hinunter in den Regen. Sie krümmte sich zusammen und taumelte in den Vorgarten. »Johnny!« Ihr Mund glänzte bleich und rosarot. Sie war barfuß und stierte wild um sich. Ihre Pupillen waren geweitet. Ein übergroßes T-Shirt hing ihr bis auf die Knie, und in Sekundenschnelle war es völlig durchnässt. Schlamm glänzte an ihren Beinen.
    Sie war panisch, und wahrscheinlich stand sie unter Medikamenten, also reagierte Hunt vorsichtig. Nervenzusammenbrüche hatte er schon gesehen, und das hier sah ganz so aus, als sei es einer — als gehe sie völlig aus den Fugen. Er streckte ihr die gespreizten Hände entgegen. »Mrs. Merrimon.«
    »Johnny!« Wahnhaft. Das Gesicht in den prasselnden Regen erhoben.
    Vermutlich hatte Tiffany Shores Entführung die dünne Erde auf dem kümmerlichen Grab weggeweht, in dem sie die Gedanken an das Schicksal ihrer Tochter verscharrt hatte. Sie war in einem leeren Haus aufgewacht und hatte schon wieder ein leeres Bett gefunden.
    »Mrs. Merrimon«, wiederholte Hunt leise.
    Sie sah ihn an, und trotz des Scheinwerferlichts in ihrem Gesicht waren ihre Pupillen groß und dunkel. »Wo ist mein Sohn?«
    Hunt legte ihr die Hände auf die Schultern. »Alles okay«, sagte er. »Es wird alles gut.«
    Für eine Sekunde beruhigte sie sich. Dann schien ihr Gesicht zu zerfallen, und ihre Stimme war so leise, dass er sie kaum hörte. »Wo ist Alyssa?«, fragte sie. Hunt wusste keine Antwort. Er sah, wie der Schmerz sie auf die Knie fallen ließ. Sie krümmte sich vornüber, und ihre gespreizten Finger gruben sich in die weiche Erde. »Machen Sie, dass es aufhört«, flüsterte sie.
    Hunt wusste, was er zu tun hatte. Sie brauchte Hilfe. Johnny musste ihr weggenommen und in eine stabile Umgebung gebracht werden. Er sollte mit dem Jugendamt telefonieren, das war ihm klar. Aber etwas anderes war ihm ebenfalls klar: Wenn er ihr den Sohn wegnähme, würde er den letzten Rest des Guten in ihr zerstören, und das konnte er nicht tun.
    Sie wiegte sich im Schlamm vor und zurück. »Bitte machen Sie, dass es aufhört.«
    »Katherine...«
    »Meine Babys ...«
    Hunt ging vor ihr in die Hocke und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Vertrauen Sie mir«, sagte er. Sie blickte zu ihm auf, gequält und verloren. »Katherine«, sagte er noch einmal, und dann nahm er ihren Arm und half ihr beim Aufstehen.
    Zwanzig Minuten später hörte es auf zu regnen. Ein Streifenwagen rollte in die Einfahrt, und Hunt sah einen blonden Schimmer, als die Innenbeleuchtung aufstrahlte und Officer Laura Taylor auf die Veranda zukam. Sie war Ende zwanzig, von breiter Statur, aber mit einem schmalen Gesicht. Irgendwann war sie in Hunt verschossen gewesen, doch das war lange her. Jetzt liebte sie einen NASCAR-Fahrer aus Charlotte. Der Mann hatte keine Ahnung, wer sie war, aber das machte ihr nichts aus. Hartnäckigkeit, fand Officer Taylor, war eine Tugend.
    Polternd kam sie die Treppe herauf und zog die Stirn kraus. »Sie sehen klasse aus, Hunt.«
    »Wie meinen Sie dass?«
    Sie deutete auf seine Kleider. »Nasse Klamotten. Matsch am Anzug.« Ihre Gebärde umfasste auch seinen Kopf. »Sind Sie jetzt ein Surfer?«
    »Ein Surfer?« Hunt befühlte seine Haare. Sie hingen tropfnass über den Kragen.
    »Ich kann sie Ihnen schneiden.«
    »Nicht nötig.«
    »Wie Sie wollen.« Sie schob sich an ihm vorbei und warf einen Blick durch die offene Haustür. »Am Telefon haben Sie sich ziemlich unklar ausgedrückt.«
    Taylor nahm es mit den Vorschriften sehr genau, aber Hunt hatte sie aus einem bestimmten Grund ausgesucht. Hinter dem Cop, den Vorschriften und der Nussknacker-Attitüde verbarg sich ein weiches Herz. Hunt vertraute darauf, dass sie das Richtige tun würde. »Ich möchte nur, dass Sie ein Auge auf sie haben«, sagte er. »Damit sie keine Dummheiten macht.«
    »Wie schlimm ist es?«
    »Sie ist im Bett, und im Moment ist sie ruhig, doch sie hat irgendwas genommen — wahrscheinlich Tabletten. Sie ist vorhin durchgedreht, und es könnte wieder passieren. Aber sie ist nicht schlecht, und morgen ist ein neuer Tag. Ich glaube, sie hat eine Chance verdient.«
    Taylor lehnte sich zurück. Sie sah unbeeindruckt aus. »In der Stadt hört man, sie sei ziemlich im Eimer.«
    »Inwiefern im Eimer?«
    »Jetzt gehen Sie

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