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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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erschossen.
    Kriegsbemalung und Feuer.
    Wahnsinnig.
    Johnny hob den Zeigefinger und schaute in die tränenglänzenden Augen seines Freundes. »Lass uns hier abhauen.«
    Er wollte gehen, aber dann sah er Gerald in der dritten Reihe stehen, hochgewachsen und breitschultrig, aschblond und mit einer Hautfarbe wie gebrannter Ton. Johnny zog Jack hinter sich her, und die Menge teilte sich. Vor Gerald blieb er stehen. Die hübschen Mädchen wichen zurück; ohne sie sah Gerald nackt aus.
    Er zog Jack aus seinem Schatten nach vorn und legte ihm den Arm um den Nacken. Er sah nicht, wie sein Freund den Blick senkte und sein Rückgrat krümmte, sah weder die Angst noch die Scham, noch das kurze, nervöse Zucken. Gerald überragte Johnny turmhoch, war einen ganzen Kopf größer und fünfzig Kilo schwerer. Er war Sommerschweiß und grünes Gras, ein emporstrebender Baseballheld. Aber niemand, der hier zusah, konnte einen Zweifel daran haben, wer der Stärkere war.
    Johnny hob denselben Finger noch einmal und stieß damit gegen Geralds muskulöse Brust. »Er ist dein Bruder, du Schwanz. Was stimmt nicht mit dir?«
    Die Jungen staksten durch die schweigende Menschenmenge. Johnny schaute starr geradeaus und mied jeden Blickkontakt, aber er sah doch noch jemanden, den er kannte, einen anderen Abschlussklässler von der Highschool, groß, weißblond und mit weit auseinanderliegenden Augen. Allen, Detective Hunts Sohn. Der vom Fluss. Allein, in Stahlkappenstiefeln und einer Jeansjacke, lehnte er an einer Säule im Hintergrund. Ein Zahnstocher wanderte zwischen seinen Zähnen hin und her, und sein Blick war wachsam. Als Johnny ihn ansah, zuckte er nicht mit der Wimper und rührte sich nicht. Nur der Zahnstocher bewegte sich. Hin und her.
    Steve hatte ihm eine Magnetkarte für die Tür zur Security mitgegeben. Die Tür öffnete sich mit einem Klicken, und Johnny trat in einen kühlen, offenen Raum, der nach feuchtem Zement roch. Rechts führte eine Treppe nach oben, darunter war eine niedrige, graue Nische. Jack ließ sich dort auf den Boden fällen, lehnte sich an die Wand und zog die Knie hoch. Johnny setzte sich neben ihn. Der Boden war übersät von dunklen Kaugummifladen. An einem von Jacks Schuhen war der Schnürsenkel offen, und seine Jeans hatte Grasflecken an den Knien.
    »Na«, sagte Johnny. »Das war scheiße.«
    Jack legte das Gesicht auf die Knie, und Johnny blickte auf. Er strich mit der Fingerspitze über eine Niete und an einer Schweißnaht der Treppe entlang. Als Jack den Kopf wieder hob, sah Johnny nasse dunkle Flecken auf den Grasspuren.
    »Wie hast du uns hier reingebracht?«, fragte Jack.
    »Onkel Steve.«
    Jack atmete zweimal kurz ein, fuhr sich mit dem verkrüppelten Arm unter der Nase entlang und hinterließ Schleim auf der Haut.
    »Diese Typen sind Arschlöcher«, sagte Johnny.
    Jack schniefte. »Pissgesichter.«
    »Ja. Sackpfeifen.«
    Jack lachte nervös und explosiv, und Johnny entspannte sich. »Worum ging's da überhaupt?«
    »Ich sollte was sagen«, erklärte Jack. »Hab ich aber nicht getan.« Johnny sah ihn fragend an, und Jack zuckte die Achseln. »>Sport ist der Hit, und Krüppel sind Shit.<«
    »Der bescheuerte Gerald. Wie geht's deinem Arm?«
    Jack drehte den Arm in der Schulter und drückte ihn an sich. Er deutete auf Johnnys Brust. Der Verband war zwischen den Hemdknöpfen sichtbar.
    »Da sind ein paar Nähte aufgegangen.«
    Jack starrte den Verband an. »Ist das von der Nacht?«
    Der Verband färbte sich dunkel. Johnny zog das Hemd zusammen. »Ich hätte mitgehen sollen, Johnny. Als du mich um Hilfe gebeten hast, hätte ich mitgehen sollen.«
    »Das hätte nichts geändert.«
    Jack schlug mit der Faust auf sein Knie. »Ich bin ein schlechter Freund.« Es klang, als schlage man mit einem Hammer auf ein Stück Fleisch. »Ich bin« — er schlug noch einmal — »ein schlechter Freund.«
    »Hör auf damit.«
    »Ich hab nichts für Alyssa getan.«
    »Konntest du auch nicht.«
    »Ich hab gesehen, wie es passiert ist.«
    »Du konntest nichts tun, Jack.«
    Aber Jack hörte nicht zu. »Ich hab nichts für dich getan.« Wieder schlug er wütend auf sein Knie.
    »Hör auf, Jack.«
    Jack hörte auf. »Ist das wahr?« Er sah Johnny an. »Was sie da über dich erzählen? Du weißt schon?« Er strich sich mit den Fingern in Schlangenlinien über das Gesicht.
    Johnny wusste, was er meinte. »Zum Teil, nehme ich an.«
    »Was zum Geier ... ?«
    Johnny sah seinen Freund an und wusste, dass Jack niemals verstehen

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