Das letzte Koenigreich
Notzeiten darauf zurückgreifen zu können. Auch ich habe viele Schätze vergraben und in einem Fall sogar vergessen, wo. Vielleicht wird ihn irgendwann einmal ein Glücklicher heben. Auf diesen Hort, Ragnars Hort, hatte sein ältester Sohn Anspruch, doch er, der nun nicht mehr Ragnar der
Jüngere war, sondern Ragnar - es war seltsam, dass er nun einfach Ragnar hieß - war im fernen Irland. Wahrscheinlich lebte auch er nicht mehr, denn Kjartan hatte mit Sicherheit Männer ausgeschickt, um ihn zu töten. Aber tot oder lebendig, er war nicht zur Stelle, also nahmen wir den Schatz.
«Was machen wir jetzt?», fragte Brida, als wir uns wieder in den Wald zurückgezogen hatten.
Ich wusste schon, was wir tun würden, hatte es vielleicht immer schon gewusst. Ich war Engländer von Geburt, hatte mich aber als Däne gefühlt, solange Ragnar lebte, denn er hatte für mich gesorgt und mich als seinen Sohn bezeichnet. Doch nun war Ragnar tot, und ich hatte keine Freunde unter den Dänen. Allerdings auch unter den Engländern nicht, abgesehen von Brida, und vielleicht war auch Beocca dazuzurechnen, der mich auf seine verschrobene Art bestimmt mochte. Jedenfalls gehörte ich dem Volk der Engländer an, und ich glaube, das wusste ich, seit ich an A Escs Hügel zum ersten Mal Engländer gegen Dänen hatte siegen sehen. Ich war stolz auf sie gewesen. Dem Schicksal weicht nichts und niemand aus, und an A Escs Hügel hatten mich die Nornen in ihren Bann geschlagen. Jetzt endlich würde ich danach handeln.
«Wir gehen nach Süden», sagte ich.
«In ein Kloster?», fragte Brida und dachte an A Elswiths bitteren Ehrgeiz.
«Nein.» Ich wollte nicht zu Alfred und auch nicht lesen lernen oder betend auf den Knien herumrutschen. «Ich habe Verwandte in Mercien.» Ich war ihnen zwar nie begegnet und wusste nichts von ihnen, doch sie gehörten zur Familie, und eine Familie hat Verpflichtungen. Außerdem war die Herrschaft der Dänen in Mercien weniger stark als in anderen Gebieten, und vielleicht hoffte ich, ein Zuhause zu finden. Eine Last wäre ich nicht, denn ich hatte ja Gold.
Ich habe gesagt, dass ich wusste, was ich tun würde, aber das entspricht nicht ganz der Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass ich mich elend wie noch nie fühlte, immerzu den Tränen nahe und am Rand der Verzweiflung. Ich hätte so gern weitergelebt wie bisher, mit Ragnar als meinem Vater gefeiert und gelacht. Aber das Schicksal hatte anderes mit uns vor. Am nächsten Morgen begruben wir unter leichtem Regen die Toten, zahlten unsere Helfer aus und wandten uns südwärts.
Ein Junge an der Schwelle zum Mannesalter, ein Mädchen und ein Hund wanderten ins Ungewisse.
ZWEITER TEIL - Das letzte Königreich
SIEBEN
Ich ließ mich im Süden Merciens nieder, wo ich einen weiteren Oheim kennen lernte. Aldermann A Ethelred. Er war ein Sohn A Ethelreds und ein Bruder A Ethelwulfs, hatte selbst einen Sohn namens A Ethelred und einen weiteren A Ethelred zum Bruder, und dieser war der Vater von Alfreds Frau A Elswith. Dieser Aldermann A Ethelred und seine verwirrende Familie nahmen mich widerwillig als Neffen auf, und erst, als ich ihnen zwei Goldmünzen gab und auf ein Kruzifix schwor, kein weiteres Geld zu haben, zeigten sie sich mir gegenüber ein wenig freundlicher. Brida hielten sie für meine Geliebte, was ja auch der Fall war, sonst aber nahmen sie kaum Notiz von ihr.
Die Reise in den Süden war, wie alle Reisen im Winter, sehr beschwerlich. Für eine Weile suchten wir Unterschlupf auf einem Bauernhof in den Bergen bei Meslach. Es schneite und stürmte, als wir, halb erfroren, eines Abends dort ankamen . Die Bauersleute hielten uns für Ausgestoßene, und wir zahlten für Essen und Unterkunft mit ein paar Gliedern der Kette, an der das silberne Kruzifix von A Elswith hing. In der Nacht schlichen sich die beiden ältesten Söhne an, um sich unser restliches Silber zu holen, doch Brida und ich waren auf der Hut. Ich hatte sofort Schlangenhauch, Brida meine Saxe in der Hand, und wir drohten, die beiden damit zu kastrieren. Danach war die Familie freundlich zu uns, vielleicht hatten sie aber auch nur Angst, denn sie glaubten mir aufs Wort, als ich sagte, Brida sei eine Zauberin. Wie viele der im Hochland lebenden Engländer waren auch diese Bauern Heiden. Von den Dänen, die sich in England breit machten, hatten sie keine Ahnung. Sie wohnten fernab jeder Ortschaft, richteten ihre gemurmelten Gebete an Thor und Odin und nahmen uns für sechs Wochen auf. Als Gegenleistung
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