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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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allen anderen eine Hand abgeschlagen und ein Auge ausgestochen werden sollte, war sein Angebot nicht sehr verlockend. Also harrten wir weiter aus, und womöglich hätten wir bis in die Nacht hinein gewartet, wären da nicht Anwohner vorbeigekommen, von denen einer mit Pfeil und Bogen bewaffnet war. Er fing an, die Welschen zu beschießen, die den ganzen Morgen getrunken hatten. Uns hatte Tatwine nur ein kleines bisschen Ale gegeben.
    Ich war nervös, nein, mehr noch, voller Angst und Schrecken. Ich hatte keine Rüstung, während alle anderen aus Tatwines Truppe Kettenhemden oder festes Leder trugen. Tatwine hatte einen Helm auf dem Kopf, ich nur Haare. Den Tod vor Augen, erinnerte ich mich an mein Kampftraining, legte mir das Waffengehänge über die Schulter und ließ das Schwert auf dem Rücken herabhängen, weil man es so schneller ziehen konnte. Ich war darauf eingestellt, zuerst mit dem Wespenstachel zu kämpfen. Mein Mund trocknete aus, ein Muskel im rechten Bein fing an zu zittern, und mein Magen rebellierte, doch unter die Angst mischte sich auch Erregung. Mein Weg hatte mich hierher geführt, in einen Schildwall, und falls ich ihn überlebte, würde ich ein Krieger sein.
    Pfeile flogen, einer nach dem anderen. Sie trafen alle auf Schilde, bis auf einen, der seinen Weg in die Brust eines Mannes fand. Er ging zu Boden, worauf der welsche Anführer die Geduld verlor und anfing zu brüllen. Und dann griffen sie an.
    Es war nur ein kleiner Schildwall, keine große Schlacht, aber ich kämpfte zum ersten Mal richtig mit und stieß meinen Schild an den des Nebenmannes, um mich davon zu überzeugen, dass sie übereinander lagen. Ich senkte meinen Wespenstachel und duckte mich, um den Stoß am unteren Rand des Schildes vorbeizuführen. Die Welschen brüllten wie Wahnsinnige, um uns zu schrecken, doch ich war zu eifrig auf mein Tun bedacht, als dass ich mich von ihnen hätte ablenken lassen.
    «Jetzt!», rief Tatwine, und wir alle rückten vor. Wie Ealdwulfs Hammer auf den Amboss, so heftig krachte etwas auf meinen Schild. Ich sah eine Axt von oben auf mich niederfahren, riss den Schild in die Höhe und stieß meinem Gegenüber die Klinge in den Unterleib, gerade so, wie es mir von Toki beigebracht worden war. Ein grausamer, tödlicher Streich. Der Mann schrie wie eine Frau im Kindbett. Das Kurzschwert blieb in seinem Körper stecken, Blut sprudelte über das Heft, und die gegen mich geschleuderte Axt fiel hinter mir zu Boden. Ich richtete mich auf, zog Schlangenhauch über die linke Schulter und hieb damit auf denjenigen ein, der meinen rechten Nachbarn angriff. Der Streich war gut gezielt, und ich zog das Schwert zurück, um die von Ealdwulf geschärfte Schneide ihr Werk verrichten zu lassen. Der, dem mein Wespenstachel im Bauch steckte, lag vor mir am Boden. Ich pflanzte meinen Fuß in sein Gesicht und brüllte, brüllte auf Dänisch, den Gegner verwünschend, und plötzlich erschien mir alles ganz einfach. Ich stieg über mein erstes Opfer weg, um das zweite zu treffen, und rückte aus dem Schildwall, in dem nun Tatwine meinen Platz einnahm. Ich war jetzt auf der welschen Seite mit zwei Toten vor den Füßen und sah mich dem Angriff eines Mannes ausgesetzt, der sein Schwert wie eine Sense führte. Es prallte vom Buckel meines Schildes ab, und ehe er sich in Deckung bringen konnte, stieß ich ihm die Klinge in den Hals, zog sie sogleich zurück und schlug, als ich mit Schwung zu einem weiteren Streich ausholte, gegen einen Schild im Rücken. In wütende Raserei geraten, drehte ich mich um, stellte dem vierten Mann nach und warf ihn mit Wucht zu Boden. Er winselte um Gnade, doch die gewährte ich nicht.
    Was für Taumel! Ich tanzte in einem lustvollen Hochgefühl und empfand nun selbst jene überschwängliche Freude am Kampf, von der Ragnar so oft gesprochen hatte. Wer sie nicht erfahren hat, ist kein Mann. Es war zwar keine wirkliche Schlacht, nur eine Bestrafung von Räubern, wohl aber mein erster Kampf, und die Götter waren in mich gefahren, hatten meinem Arm Schnelligkeit und meinem Schild Stärke verliehen, und als der Kampf entschieden war, als ich im Blut der Gefallenen watete, wusste ich, dass ich gut war. Mehr als gut. Ich hätte in diesem Moment die ganze Welt erobern können und bedauerte nur, dass mich Ragnar nicht gesehen hatte. Dann aber stellte ich mir vor, dass er vielleicht von Walhalla auf mich herabblickte, und so hob ich mein Schwert gen Himmel und rief seinen Namen. Ich habe andere junge Männer

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