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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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wahrscheinlich gegen Hamtun marschierten, weshalb Mildrith fliehen solle. «Sie wollte nicht gehen, Herr», sagte Willibald, und ich hörte Angst in seiner Stimme. Mein Zorn hatte ihn eingeschüchtert. «Sie hatten Pferde, Herr», fügte er wie eine Erklärung hinzu.
    «Habt Ihr denn nicht Leofric zu Hilfe gerufen?»
    «Das haben sie nicht zugelassen, Herr.» Er hielt inne. «Außerdem waren wir alle in Angst und Schrecken. Die Dänen haben das Abkommen gebrochen, und wir dachten, Ihr seid tot.»
    Leofric wollte, wie er mir sagte, die Verfolgung aufnehmen, doch als er von Mildriths Verschwinden erfuhr, hatte Odda schon einen halben Tag Vorsprung, und Leofric wusste nicht einmal, in welche Richtung er geritten war. «Nach Westen», sagte ich, «zurück nach Defnascir.»
    «Und die Dänen?», fragte Leofric. «Wohin ziehen die?»
    «Nach Mercien vielleicht», antwortete ich.
    Leofric zuckte mit den Achseln. «Durch ganz Wessex? Obwohl Alfred sie erwartet? Und du sagst, sie seien zu Pferde? In welcher Verfassung sind die Tiere?»
    «In schlechter. Halb verhungert.»
    «Dann sind sie nicht nach Mercien unterwegs», folgerte
    er.
    «Vielleicht wollen sie sich mit Ubba treffen», mutmaßte Willibald.
    «Ubba!» Diesen Namen hatte ich schon lange nicht gehört.
    «Es gehen Gerüchte um, wonach er sich bei den Britonen in Wales aufhält», sagte Willibald nervös. «Und dass er eine Flotte auf der Saefern- See hat.»
    Das ergab Sinn. Ubba ersetzte seinen toten Bruder Halfdan und führte wahrscheinlich neue Streitkräfte gegen Wessex. Aber wo? Wenn er das weite Gewässer des Saefern überquerte, würde er in Defnascir ankommen, es sei denn, er schlug einen Bogen um den Fluss und stieß von Norden in Alfreds Land vor. Zurzeit war mir dies jedoch einerlei. Ich wollte meine Frau und meinen Sohn finden. Natürlich befahl mir dies mein Stolz, aber es war mehr als das. Mildrith und ich waren füreinander geschaffen. Ich vermisste sie, und ich wollte mein Kind sehen. Die Zeremonie in der tropfnassen Kathedrale hatte ihren Zauber auf mich ausgeübt. Ich wollte meine Frau zurückgewinnen und Odda den Jüngeren dafür bestrafen, dass er sie mir genommen hatte. «Defnascir», sagte ich wieder. «Dorthin will der Bastard. Und dorthin gehen wir morgen.» Ich war sicher, dass Odda den Schutz seines Stammsitzes aufsuchte. Nicht, dass er meine Rache fürchtete, er nahm wahrscheinlich an, ich sei tot, wohl aber die Dänen, und ich machte mir Sorgen, dass er ihnen auf seiner Flucht nach Westen in die Arme laufen würde.
    «Du und ich?», fragte Leofric.
    Ich schüttelte den Kopf. «Wir nehmen die Heahengel, und zwar mit einer gesamten Mannschaft.»
    Leofric blickte zweifelnd. «Bei diesem Wetter?»
    «Der Wind lässt nach», antwortete ich, obwohl er immer noch über die Strohdächer brauste und an den Fensterläden rüttelte. Zwar hatte er an diesem Morgen tatsächlich ein wenig abgenommen, aber noch immer rollten schaumgekrönte Wellen auf den Hafen von Hamtun zu, die davon zeugten, dass die Solente wild und aufgewühlt war. Immerhin zeigten sich Lücken in den Wolken, der Wind hatte auf Ost gedreht, und ich mochte nicht länger warten. Zwei erfahrene Seemänner versuchten dennoch, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Der Wind würde wieder auffrischen, sagten sie, erklärten sich aber am Ende doch bereit, mir zu folgen. Ebenso wie Pater Willibald, was tapfer war, denn er verabscheute das Meer und setzte sich rauerem Seegang aus, als er ihn je erlebt hatte.
    Wir ruderten aus dem Hafen, setzten das Segel und flogen vor dem Ostwind dahin, als stünde die Leichen verzehrende Schlange Nidhögg am Steuer. Von Gischt umwirbelt, arbeitete sich die Heahengel durch eine grobe See. Dabei befanden wir uns noch in geschütztem Gewässer. Doch als wir dann bei Wihts End die Kreidefelsen, Naedles genannt, umschifften, trafen uns die ersten schweren Brecher. Die Heahengel trotzte ihnen und wir flogen weiter. Der Wind nahm ab, die Sonne blitzte durch dunkle Wolken und glitzerte auf dem brodelnden Wasser. Plötzlich stieß Leofric einen Warnruf aus und deutete nach vorn.
    Er zeigte auf die dänische Flotte. Offenbar glaubte nicht nur ich an besseres Wetter. Die Dänen schienen sich eilends mit Guthrum zusammenschließen zu wollen, denn die gesamte Flotte drängte aus dem Poole und segelte nach Süden, um jenseits der felsigen Landzunge Kurs auf Westen zu nehmen. Sie wollten also entweder nach Defnascir oder das Kap von Cornwalum umschiffen, um zu Ubba nach

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