Das letzte Koenigreich
die Schiffsleiber in der tosenden Brandung vor den Felsen zerschellten, wie die Drachenköpfe splitterten und wie sich die Hallen des Meeresgottes mit den Seelen ertrunkener Krieger füllten. Obwohl es Feinde waren, empfand jeder von uns nichts als Mitleid. Das Meer bringt einen kalten, einsamen Tod.
Ragnar und Brida. Ich starrte einfach hin, konnte aber in dem herabstürzenden Regen und den aufgewühlten Fluten die einzelnen Schiffe nicht voneinander unterscheiden. Ein Schiff, das schon entkommen schien, sank unversehens. In einem Moment ritt es noch, von Gischt umsprüht und mit den Rudern schlagend, auf den Wellen, im nächsten war es verschwunden. Andere Schiffe prallten aufeinander und zerbarsten. Einige versuchten zu wenden und in den Poole zurück zu fliehen, doch auch von diesen wurden die meisten ans Ufer gedrückt, manche auf den Sand, andere gegen die Felsen. Nur ein paar, kläglich wenige, blieben verschont. Die Dänenschiffe waren vollkommen überladen, da sie auch all jene Männer an Bord hatten, deren Pferde verendet waren. Sie trugen eine ganze Armee, und diese Armee ging vor unseren Augen unter.
Wir wurden vom Süden der Landzunge aus nach Westen abgetrieben. Ein dänisches Schiff kam nahe an uns vorbei. Sein Steuermann schaute zu uns herüber und lächelte grimmig, als wolle er zum Ausdruck bringen, dass es jetzt nur einen Feind gab, das Meer. Der Däne trieb vor uns her. Es war ein kleineres Schiff als unseres und nicht wie wir verlangsamt durch einen zertrümmerten Mast im Schlepp. Der Regen peitschte herab, und die See war voller Planken, gebrochener Spiere, Drachensteven, Ruder, Schilde und voller Leichen. Ich sah einen Hund, die Augen weit aufgerissen, verzweifelt in den Wellen kämpfen und glaubte einen Moment, es sei Nihtgenga, doch hatte dieser Hund schwarze Ohren, die von Nihtgenga waren weiß. Die tief über uns hinwegjagenden Wolkenfetzen hatten die Farbe von Eisen, das Wasser war in weiße und grünschwarze Streifen zerfranst. Vor jeder Woge bäumte sich die Heahengel auf, stürzte dann krachend ins Wellental und bebte wie ein erschrecktes Tier. Aber sie hielt stand. Sie war gut gebaut und ließ uns am Leben, während die Dänenschiffe versanken und Pater Willibald betete.
Seine Übelkeit war seltsamerweise verflogen. Er war kreidebleich und fühlte sich wahrscheinlich sterbenselend, doch seit uns der Sturm schüttelte, musste er sich nicht mehr erbrechen. Er kam zu mir, hielt sich am Steuerruder fest und fragte, laut brüllend, um sich über den Sturm hinweg verständlich zu machen: «Wer ist für die Dänen der Gott des Meeres?»
«Njorö!», brüllte ich zurück.
Er grinste. «Betet Ihr zu ihm, ich bete zu Gott.»
Ich lachte. «Wenn Alfred Euch jetzt hörte, würdet Ihr nie zum Bischof geweiht.»
«Das werde ich, wenn überhaupt, nur, wenn wir dieses Wetter überleben. Also betet!»
Und ich betete. Langsam und zögernd nahm der Sturm ab. Die Wolken jagten tief über die wütende See, doch der Wind flaute ab, und so konnten wir den zertrümmerten Mast und die Rah los schneiden, die Ruder ausfahren, und dann ruderten wir durch das Treibholz einer zerstörten Flotte Richtung Westen. Ein Dutzend Dänenschiffe fuhr uns voraus, andere folgten, aber es war wohl über die Hälfte der Flotte gesunken, vielleicht sogar noch mehr, und ich hatte schreckliche Angst um Ragnar und Brida. Als wir eines der kleineren dänischen Schiffe einholten, steuerte ich möglichst nahe heran und rief: «Habt ihr die Windviper gesehen?»
«Nein», riefen sie zurück. Die gleiche Antwort erhielt ich von anderen Schiffen. Sie sahen uns als Feind, hielten sich aber zurück, denn der eigentliche Feind auf diesem Wasser war das Wasser selbst. Und so ruderten wir weiter, ein Schiff ohne Mast, ließen die Dänen hinter uns und fuhren, als ein schwacher Sonnenstrahl wie ein Rinnsal aus Blut durch die Wolken im Westen sickerte, in die weite Mündung der Uisc. Im Schutz einer langen Sandbank ruderten wir sicher durch ruhiges Wasser flussaufwärts. Ich schaute hinüber auf die dämmrigen Hügel, auf denen Oxton lag, konnte aber nirgends ein Licht sehen.
Wir landeten am Strand an und wankten an Land. Einige Männer sanken in die Knie, andere schlugen ein Kreuz. In der Nähe waren ein kleiner Hafen und einige Fischerhütten. Dorthin gingen wir. Auf unser Verlangen wurde Feuer gemacht und Essen aufgetischt. In der Dunkelheit kehrte ich ans Ufer zurück und sah weiter oben auf dem Fluss Lichter flackern. Es waren
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