Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
zuprostete. «Bald. Und jetzt trink!»
    Wir tranken alle, und nach dem Fest kehrten wir, die Geiseln, in unsere Klosterzellen zurück, wo wir nach Guthrums Willen übernachteten. Tagsüber konnten wir uns innerhalb der Festungswälle frei bewegen und sogar Waffen tragen, wenn wir darauf bestanden. Nächtens aber wollte Guthrum alle Geiseln an einem Ort versammelt wissen, unter der Aufsicht seiner schwarz gekleideten Wachen. Und es waren ebendiese Wachen, die in jener Nacht mit brennenden Fackeln zu uns kamen, uns aufweckten und nach draußen befahlen. Einer der Männer trat mein Schwert mit dem Fuß weg, als ich danach greifen wollte, und knurrte mich an: «Raus mit dir!» Ich versuchte erneut, mein Schwert zu packen, und bekam den Schaft eines Speeres zu spüren, der mir über den Schädel gezogen wurde. Von zwei weiteren Speeren in den Hintern gepiekt, wurde ich vor die Tür getrieben, wo es in Strömen regnete. Ein heftiger Wind zerrte an den Flammen der Fackeln, die den Weg beleuchteten. Dort erwarteten uns mindestens hundert behelmte Dänen, alle bewaffnet. Ich sah, dass sie ihre abgemagerten Pferde gesattelt hatten, und glaubte, dass sie uns nun auf die westsächsische Seite zurückbringen würden.
    Dann trat Guthrum vor, ebenfalls in Schwarz, mit finsterer Miene und dem weißen Knochen seiner Mutter im Haar. Es wurde still. Er nickte, worauf seine Männer die Schwerter zogen. Der arme Waella, Alfreds Vetter, war die erste Geisel, die sterben musste. Ich glaube, Guthrum hatte ihn gemocht, denn er verzog das Gesicht, als der Priester zu Boden sank. Obwohl unbewaffnet und wehrlos, wirbelte ich herum, um mich gegen die Männer hinter mir zu wehren. Schon fuhr ein Schwert auf mich zu, geführt von einem Dänen in einem Lederwams, das mit Metallnieten beschlagen war. Mit breitem Grinsen zielte er auf meinen ungeschützten Körper, und er grinste immer noch, als ihm die Klinge einer geworfenen Axt die Stirn spaltete. Ich erinnere mich noch an das Geräusch des platzenden Schädels, an das im Fackelschein umherspritzende Blut und wie er vor mir auf den mit Flint und Kies bestreuten Weg stürzte, während die anderen Geiseln unter wütendem Gebrüll ermordet wurden. Ich aber blieb am Leben. Ragnar hatte die Axt geworfen und stand jetzt neben mir, mit gezogenem Schwert. Er trug seine Kriegsrüstung: ein blank poliertes Kettenhemd, hohe Stiefel und einen Helm, den zwei Adlerflügel schmückten. Im zuckenden Schein der Fackeln sah er aus wie ein auf den Midgard herabgestiegener Gott.
    «Niemand bleibt verschont!», brüllte Guthrum. Die anderen Geiseln waren tot oder lagen im Sterben, die Hände blutig von hilflosen Versuchen, die Klingen abzuwehren. Mehrere Krieger kreisten mich nun ein, um das Mordwerk zu vollenden.
    «Den tötet ihr nur über meine Leiche», rief Ragnar. Seine Gefolgsleute lösten sich aus der Menge und eilten ihm zur Seite. Obwohl ihnen eine Übermacht von fünf zu eins gegenüberstand, zeigten sie keinerlei Furcht.
    Guthrum starrte Ragnar an. Hacca war noch immer nicht tot. Er lag zuckend vor Guthrums Füßen, der, sichtlich verstört von diesem Todeskampf, sein Schwert zog und es ihm in den Hals stieß. Guthrums Männer streiften den Toten die Reife von den Armen, die ihnen wenige Stunden zuvor zum Geschenk gemacht worden waren. «Sie müssen alle sterben!», knurrte Guthrum, als Hacca endlich still war. «Alfred tötet in diesem Augenblick seine Geiseln, also heißt es Mann gegen Mann.»
    «Uhtred ist mein Bruder», erwiderte Ragnar. «Es steht Euch natürlich frei, ihn zu töten, Herr, aber dann müsst Ihr auch mich töten.»
    Guthrum trat einen Schritt zurück. «Das ist keine Zeit, in der sich Dänen bekämpfen», knurrte er und steckte sein Schwert in die Scheide, womit er zeigte, dass ich leben durfte. Ich ging auf die andere Seite des Weges zu dem Mann, der mir meinen Schlangenhauch, den Wespenstachel und die Rüstung abgenommen hatte und sie mir nun widerstandslos zurückgab.
    Guthrums Männer bestiegen die Pferde. «Was passiert jetzt?», fragte ich Ragnar.
    «Was glaubst du?», entgegnete er grimmig.
    «Ich vermute, ihr werdet das Abkommen brechen.»
    «Wir sind nicht den weiten Weg hierher gekommen, um uns am Ende wie geprügelte Hunde davonzuschleichen.» Er sah zu, wie ich mein Schwert gürtete, und sagte: «Komm mit uns.»
    «Wohin?»
    «In den Kampf um Wessex.»
    Ich kann nicht leugnen, dass ich einen Moment lang versucht war, dem Feldzug der Dänen zu folgen, doch ich widerstand

Weitere Kostenlose Bücher