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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Wales zu gelangen.
    «Hast du vor, dich mit denen anzulegen?», knurrte Leofric.
    Ich stemmte mich gegen das Steuer und lenkte das Schiff nach Süden. «Wir weichen ihnen aus», antwortete ich. Dass sich die Dänen um uns kümmern würden, war nicht anzunehmen. Sie hatten es eilig, wo immer sie auch hinwollten. Mit ein wenig Glück, so dachte ich, würde die Heahengel an ihnen vorbeiziehen, denn sie war ein schnelles Schiff, und die Dänenflotte hatte das offene Wasser noch nicht erreicht.
    Wir fuhren hart am Wind, und es war eine Lust, das Schiff durch die tobende See zu steuern. Für die Männer allerdings, die mit Eimern das Wasser aus dem Kielraum schöpften, war diese wilde Fahrt vermutlich kein sehr großes Vergnügen. Einer von ihnen rief mir plötzlich eine Warnung zu und sah achteraus. Ich drehte mich um und sah eine schwarze Wolke auf mich zukommen, ein Gebräu aus Dunkelheit und Regen, das rasend schnell näher kam, so bedrohlich, dass Willibald, der sich über die Reling erbrach, auf die Knie sank und das Kreuzeszeichen schlug. «Segel einholen!», brüllte ich. Doch es war zu spät, viel zu spät, denn die Sturmbö hatte uns schon erreicht.
    Von einem auf den anderen Moment war die Sonne verschwunden. Wie ein Schildwall warf sich uns das Unwetter entgegen. Die Planken bebten, Wasser und Wind gerieten in Aufruhr, und was ich auch tat, nichts half, um das Schiff aufrecht zu halten. Vom Wind zur Seite gedrückt, neigte es sich so stark, dass das Steuerbord überspült wurde. «Schöpfen!», brüllte ich verzweifelt. Und dann zerriss das Segel mit einem Krachen wie ein Donnerschlag und flatterte in Fetzen von der Rah. Das Schiff richtete sich allmählich wieder auf, lag aber tief im Wasser. Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen das Steuerruder, um mit dem Bug die Wellen anzuschneiden und die Heahengel auf Kurs zu halten. Die Männer beteten, bekreuzigten sich und schöpften Wasser. Die Reste des Segels und die zerrissenen Leinen zuckten wie wilde Dämonen umeinander. Wie Furien heulte der Wind im Takelwerk, und ich dachte, wie sinnlos es wäre, hier zu sterben, wo mir Ragnar doch gerade erst das Leben gerettet hatte.
    Irgendwie gelang es, sechs Ruderblätter auszufahren. Mit jeweils zwei Männern an einem Ruder quälten wir uns durch das kochende Chaos. Drei Männer versuchten, das zerfetzte Segel abzunehmen, die anderen schöpften Wasser. Befehle wurden nicht ausgegeben, denn das Gebrüll des Sturms hätte jede Stimme übertönt. Riesige Wellen rollten an, konnten der Heahengel aber nicht gefährlich werden, denn sie ritt darüber hinweg. Die Gischt aber drohte uns zu überschwemmen, und dann sah ich den Mast schwanken und an den Wanten zerren. Ich brüllte, aber niemand hörte mich. Der große Fichtenstamm splitterte, stürzte und fiel seitlich über das Schiff, sodass es erneut überflutet wurde. Mit Hilfe einiger Männer gelang es Leofric, den Mast über Bord zu hieven. Doch er verfing sich in einem Gewirr von Seilen und schlug, im Wasser treibend, an die Schiffswand. Ich sah Leofric eine Axt aus der überschwemmten Bilge fischen und auf die Seile einhacken. So laut ich konnte, schrie ich ihm zu, damit aufzuhören.
    Denn der an die Seite gefesselte Mast schien das Schiff zu stabilisieren. Endlich konnten wir aufatmen. Die Männer schauten in die Runde und schienen verwundert darüber, dass sie noch am Leben waren. Ich konnte das Steuerruder loslassen, denn der Mast und die große Rah mit den Resten des Segels hielten die Heahengel auf Kurs. Jetzt erst spürte ich, wie sehr meine Knochen schmerzten. Ich war durchnässt und musste völlig durchgefroren sein, doch ich nahm keine Notiz davon.
    Leofric stellte sich an meine Seite. Der Bug des Schiffes zeigte nach Osten, wiewohl wir, von der Flut und dem Wind zurückgedrückt, in westliche Richtung fuhren. Ich schaute mich um, um sicherzustellen, dass uns genügend Raum zum Manövrieren blieb, legte Leofric eine Hand auf die Schulter und deutete auf die Küste.
    Wir sahen eine Flotte untergehen.
    Die Dänen waren, der Landzunge vor der Mündung des Poole folgend, nach Süden gesegelt, wo sie dem plötzlich wieder auflebenden Unwetter hilflos ausgesetzt waren. Ein Schiff nach dem anderen wurde ans Ufer getrieben. Einige wenige hatten sich in offenes Gewässer retten können, andere versuchten, den Klippen rudernd zu entkommen, die meisten aber waren verloren. Einzelheiten ließen sich nicht erkennen, doch konnte ich mir den Untergang sehr gut vorstellen. Wie

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