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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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entgegen, wo wir reiche Gehöfte und noch reichere Klöster vorfanden. Brida lachte, als Ragnar den Abt tötete, und während die Dänen ihre Beute zusammenpackten, nahm sie meine Hand und führte mich zu einem Hof auf einer Anhöhe, der zuvor von Ragnars Männern ausgeplündert worden war. Das Anwesen gehörte dem Kloster, und Brida kannte die Gegend, weil ihre Tante häufig zum Beten ins Kloster gegangen war. «Sie wollte eigene Kinder», sagte Brida, «bekam aber nur mich.» Sie zeigte auf den Hof und wartete auf meine Reaktion.
    Es sei ein römischer Hof, erklärte sie, obwohl sie genauso wenig wie ich wusste, wer die Römer wirklich waren, außer dass sie früher einmal in England gelebt hatten und dann wieder verschwunden waren. Ich hatte bereits etliche Bauten von ihnen gesehen - einige gab es in Eoferwic -, aber sie waren zerfallen und nur notdürftig mit Strohdächern abgedeckt gewesen. Dieser Hof jedoch sah aus, als wären die Römer gerade erst ausgezogen.
    Ich staunte. Die Mauern bestanden aus gehauenen und mit Mörtel verfugten Steinblöcken, das Dach aus geformten Ziegeln, die genau aufeinander passten. Durch ein Tor gelangten wir in den Innenhof mit einem ringsum verlaufenden Säulengang. Den Fußboden des größten Raumes bildeten Tausende kleiner farbiger Steine, die zusammen ein großes Bild ergaben. Ich traute kaum meinen Augen. Da waren springende Fische, die einen Streitwagen zogen, in dem ein bärtiger Mann stand, der einen ebensolchen Aalspieß in der Faust hielt, wie ich ihn in Bridas Dorf zu Gesicht bekommen hatte. Am Rand des Bildes rankte Laub, in dem sich Hasen tummelten. Auch an den Wänden gab es Bilder zu sehen, deren Farben allerdings verblichen und vom Wasser, das durch das alte Dach sickerte, ausgewaschen waren. «Hier hat der Abt gewohnt», erklärte Brida und führte mich in eine Schlafkammer, wo einer der Diener des Abtes tot auf dem Bett lag. «Er hat mich hier hereingelockt», sagte sie. «Der Abt? »
    «Ja, und von mir verlangt, dass ich mich ausziehe.»
    «Der Abt?», fragte ich ein zweites Mal.
    «Ich bin weggelaufen», sagte sie viel zu beiläufig. «Und meine Tante hat mich geschlagen. Sie meinte, ich hätte ihm zu Gefallen sein sollen. Dann hätte er uns belohnt.»
    Wir gingen durchs Haus, und ich fragte mich, warum wir nicht mehr auf diese Weise bauten. Wir begnügten uns damit, Pfeiler in den Boden zu rammen, Balken und Sparren einzuziehen und ein Dach aus Stroh oder Schilf zu binden. Doch das Holz faulte, das Stroh verschimmelte, und die Hütten sackten bald in sich zusammen. Im Sommer war es darin so dunkel wir im Winter, das ganze Jahr über konnte man darin vor lauter Rauch kaum atmen, und im Winter stank es nach Vieh. Dieses Haus aber war hell und sauber, und es sah nicht so aus, als hätte jemals eine Kuh einen Fladen auf den Mann in dem von Fischen gezogenen Streitwagen fallen lassen. Der Gedanke, dass wir scheinbar in eine weniger entwickelte Vergangenheit zurück geglitten waren und womöglich nie wieder imstande sein würden, ein so schönes, vollkommenes Bauwerk zu errichten, war beunruhigend. «Waren die Römer Christen?», fragte ich Brida.
    «Weiß nicht», antwortete sie. «Warum willst du das wissen?»
    «Nur so.» Doch ich hatte gerade darüber nachgedacht, dass die Götter diejenigen belohnten, die sie liebten, und wollte gern erfahren, welche Götter sich um die Römer gekümmert hatten. Ich wünschte, sie hätten Odin verehrt, glaubte aber zu wissen, dass sie Christen gewesen waren, zumal der Papst in Rom lebte und Beocca davon gesprochen hatte, dass er das Oberhaupt aller Christen sei und als ein sehr heiliger Mann angesehen werde. Sein Name war Nikolaus, wie ich mich erinnerte. Brida schien sich über die Götter der Römer keine Gedanken zu machen. Stattdessen kniete sie auf dem Boden und blinzelte durch ein Loch, unter dem sich eine Art Keller befand, der jedoch so niedrig war, dass man darin unmöglich aufrecht stehen konnte. «Vielleicht wohnen dort Elfen», meinte ich.
    «Elfen leben in den Wäldern», widersprach sie und vermutete, dass der Abt in dem Loch einen Schatz versteckt haben könnte. Sie lieh sich mein Schwert, um das Loch damit zu vergrößern. Es war kein richtiges Schwert, sondern eine so genannte Saxe, ein überlanges Messer, aber weil ich es von Ragnar hatte, war ich sehr stolz darauf.
    «Pass auf, dass die Klinge nicht abbricht», sagte ich. Sie streckte mir die Zunge heraus und machte sich daran, den Rand des Loches zu

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