Das letzte Koenigreich
drei Reiter machten kehrt und galoppierten nach Süden.
Von Ubbas Schiff angeführt, fuhren wir weiter, einem gewundenen, flachen Kanal entlang. Ich sah Storri, Ubbas Zauberer, im Bug stehen, wahrscheinlich hatte er die Runenstäbe geworfen und unseren Erfolg vorhergesagt. «Heute», sagte Ragnar mit wölfischem Grinsen, «heute wirst du erfahren, wie wir nach Wikingerart zuschlagen.»
Ein Wikinger zu sein hieß, vom Meer zu kommen, um zu rauben. Ragnar aber hatte schon seit vielen Jahren keine Raubzüge mehr mit dem Schiff unternommen und stattdessen Land erobert, um es zu besiedeln. Jetzt aber galt es, die Küste in Angst und Schrecken zu versetzen und die Streitkräfte der Ostangeln ans Meer zu locken, während Ivar mit einer starken Kampftruppe ins Landesinnere südlich von Mercien vorstieß. In diesem Frühsommer also sollte ich die wahre Wikingerart kennen lernen. Wir zogen die Schiffe auf eine Halbinsel, die nur durch eine schmale und leicht zu verteidigende Landzunge mit dem Festland verbunden war. Nachdem unsere Schiffe sicher am Ufer lagen, hoben wir dort einen Graben zur Verschanzung aus. Dann verschwanden große Verbände ins Landesinnere und kehrten am nächsten Tag mit geraubten Pferden zurück. Auf diesen Pferden stieß nun ein anderer Trupp ins Land vor, während Ragnar seine Männer zu Fuß die Küste entlang führte.
Wir kamen in ein Dorf, dessen Namen ich nie erfahren habe, brannten die Häuser der geflohenen Bewohner und auch die Kirche nieder und zogen weiter. Wir folgten einer Straße, die von der Küste wegführte, und sichteten am Abend ein größeres Dorf, versteckten uns in einem Wald, entzündeten kein Feuer und griffen im Morgengrauen an.
Brüllend tauchten wir aus der Dämmerung auf. Ein Albtraum im Zwielicht: Männer in Leder und mit eisernen Helmen, Männer mit bemalten Schilden, mit Äxten,
Schwertern und Speeren. Die Dorfbewohner hatten weder Waffen noch Rüstung, und vielleicht hatten sie nicht einmal geahnt, dass wir im Land waren, denn wir trafen sie völlig unvorbereitet. Sie starben. Ein paar tapfere Männer versuchten, uns den Zugang zur Kirche zu verwehren, doch Ragnar ließ sie angreifen, und sie wurden an Ort und Stelle abgeschlachtet. Dann stieß er die Kirchenpforte auf und fand den kleinen Raum voller Frauen und Kinder. Der Priester stand vor dem Altar und verfluchte Ragnar auf Latein, während der Däne durch den engen Mittelgang nach vorn schritt, und er verfluchte ihn noch immer, als ihm Ragnar die Eingeweide aus dem Leib schnitt.
Wir erbeuteten ein bronzenes Kruzifix, einen verbeulten Silberteller und eine Hand voll Münzen. In den Häusern fanden wir ein Dutzend guter Kochtöpfe sowie ein paar Scheren, Sicheln und eiserne Spieße. Wir raubten Kühe, Ziegen, Schafe, Ochsen und sechzehn junge Frauen. Eine der Frauen schrie, dass sie ihr Kind nicht im Stich lassen könne, worauf Weland den kleinen Jungen mit einem Speer aufspießte und der Mutter den blutigen Leichnam in die Arme schleuderte. Ragnar schickte sie fort, nicht, weil er Mitleid mit ihr hatte, sondern weil er stets eine Person am Leben ließ, damit sie die Schreckensnachricht verbreitete. Das Volk müsse die Dänen fürchten, sagte Ragnar, denn dann würde es schneller aufgeben. Er zeigte mir einen brennenden Holzscheit, den er aus einem Feuer gezogen hatte. «Setz die Dächer in Brand, Uhtred», befahl er. Also ging ich von Haus zu Haus und legte Feuer an die Strohdächer. Ich brannte auch die Kirche nieder, und als ich mich dem letzten Haus näherte, stürmte ein Mann aus der Tür heraus und attackierte mich mit einem dreizackigen Aalspieß. Ich sprang zur Seite und hatte Glück, dass er mich nicht erwischte. Ich schleuderte ihm den brennen den Scheit ins Gesicht und wich zurück, als der Mann sie krümmte. Ragnar warf mir eine Lanze zu, eine schwere Kriegslanze, die weniger als Wurfgeschoss denn als Stoßwaffe verwendet wurde. Sie fiel vor meinen Füßen in den Staub, und ich verstand, dass mich Ragnar kämpfen lassen würde. Aber sterben lassen wollte er mich nicht, denn er hatte zwei seiner Bogenschützen mit eingelegten Pfeilen bereitgestellt, doch Ragnar selbst schritt nicht ein, als der Mann erneut auf mich losging.
Ich parierte den rostigen Spieß und wich weiter zurück, um Raum zu gewinnen. Der Mann war sehr viel größer als ich und doppelt so schwer. Er beschimpfte mich, nannte mich einen Teufelsbastard, einen Höllenwurm, rannte erneut gegen mich an, und ich tat, was ich auf der
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