Das letzte Koenigreich
überlebt hatten. Ein Mädchen im Alter von Ragnars Tochter berichtete, von mehreren Mönchen zuerst vergewaltigt und dann gegen ihren Willen getauft worden zu sein. Sie sagte, dass auch Nonnen dabei gewesen seien, Frauen, die die Vergewaltiger angefeuert und sich danach am Töten beteiligt hätten. «Schlangenbrut», sagte Ragnar. So wütend, wie ich ihn jetzt erlebte, hatte er nicht einmal damals auf Svens Belästigung seiner Tochter reagiert. Wir gruben einige der toten Dänen aus und stellten fest, dass sie alle gefoltert worden waren.
Ein Priester wurde aufgegriffen und mit Nachdruck dazu gebracht, die Namen der wichtigsten Klöster Northumbriens zu nennen. Eines war natürlich Gyruum. Ganz in der Nähe, auf der anderen Flussseite, lagen ein großes Frauenstift und etwas südlich an der Wiire- Mündung ein weiteres Kloster. Die nahe Eoferwic gelegene Abtei Streonshall gehörte einem großen Nonnenorden, und dann gab es da noch jene Abtei von Lindisfarena, die auf einer Insel vor Bebbanburg lag und, wie ich von Beocca wusste, als besonders heiliger Ort galt. Es gab noch viele andere Klöster, doch Ragnar begnügte sich mit den wichtigsten und schickte Männer mit dem Vorschlag zu Ivar und Ubba, den Orden von Streonshall aufzulösen und all diejenigen Frauen zu töten, die an der Revolte beteiligt waren. Dann zogen wir nach Gyruum. Alle Mönche wurden getötet, sämtliche Gebäude, die nicht aus Stein gemauert waren, niedergebrannt und der Schatz geraubt - tatsächlich hatten sie Gold und Silber in ihrer Kirche vergraben. Wie ich mich erinnere, fanden wir auch einen Stapel von Schriften, Pergamentseite um Pergamentseite, alle dicht beschrieben mit kleinen schwarzen Lettern. Welche Texte sie enthielten, werde ich nie erfahren, denn sie wurden verbrannt. Als es Gyruum nicht mehr gab, überfielen wir das Kloster an der Wiire- Mündung und wüteten auch dort, überquerten anschließend die Tine und zerstörten das Nonnenkloster am Nordufer. Aus Angst, geschändet zu werden, hatten sich die Nonnen, als sie hörten, dass wir anrückten, dem Vorbild der Äbtissin folgend, die Gesichter zerschnitten und empfingen uns blutüberströmt, vor Schmerzen schreiend und abstoßend hässlich. Warum sie nicht weggelaufen waren, ist mir ein Rätsel. Stattdessen harrten sie aus, verfluchten uns, riefen die Rache des Himmels auf uns herab, und dann starben sie.
Ich habe Alfred nie erzählt, dass ich an diesen berüchtigten Überfällen teilgenommen hatte. Noch immer wird davon als Zeugnis für die unbarmherzige Grausamkeit der Dänen berichtet. Jedes englische Kind weiß von den Nonnen, die sich selbst verstümmelten, um der drohenden Vergewaltigung zu entgehen. Doch all diese Geschichten konnten ebenso wenig bewirken wie Edmunds Gebete. Ich erinnere mich, eine Osterpredigt zum Andenken an die Nonnen gehört zu haben. Ich musste mich beherrschen, um den Priester nicht zu unterbrechen und die Tatsachen richtig zu stellen. Er behauptete, dass die Dänen versprochen hätten, alle northumbrischen Mönche und Nonnen zu schonen, was nicht stimmte, falsch war auch, dass es, wie er sagte, keinen Grund für dieses Morden gegeben habe. Und dann erzählte er eine unglaubliche Geschichte, nach der Gott, von den Nonnen um Hilfe gebeten, die Klosterpforte mit einem unsichtbaren und undurchdringlichen Vorhang zugehängt habe, um die Dänen abzuwehren. Warum aber, so fragte ich mich, hatten die Nonnen, solchermaßen beschützt, selbst Hand an sich gelegt? Als Antwort darauf hörte ich, dass die Dänen angeblich Kinder aus dem Nachbardorf als Geiseln genommen und damit gedroht hätten, ihnen die Kehlen durchzuschneiden, falls dieser Vorhang nicht geöffnet werde.
Nichts davon ist wahr. Wir kamen, sie schrien, die jungen Nonnen wurden geschändet und anschließend wie alle anderen getötet. Allerdings gab es zwei Ausnahmen, die von den Geschichten unterschlagen werden. Zwei hübsche Nonnen hatten sich nicht verunstaltet, und beide schlossen sich Ragnars Männern an. Eine der beiden brachte einen Sohn zur Welt, aus dem ein berühmter dänischer Krieger wurde. Doch Priester nehmen es nie so genau mit der Wahrheit. Mir war es einerlei, und so schwieg ich dazu und verzichtete darauf, zu erklären, was mir Ravn eingeschärft hatte: dass nämlich die Dänen niemals alle töteten, sondern zumindest ein Opfer leben ließen, damit es die Nachricht vom Schrecken der Eroberer verbreiten konnte.
Nachdem das Nonnenstift niedergebrannt war, ritten wir nach
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