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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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war, und zeigte sich furchtlos. «Willkommen auf unserer kleinen Insel», grüßte er uns freundlich. «Ihr solltet wissen, dass ein Landsmann von Euch in unserer Krankenkammer liegt und gepflegt wird.»
    Ragnar legte seine Hände auf den mit Vlies bezogenen Sattelknauf. «Was will er mir damit sagen?», fragte er.
    «Dass wir friedliche Absichten hegen, Herr», antwortete Egfrith. Er war schon älter, hatte graues, schütteres Haar und nur noch wenige Zähne im Mund, sodass seine Worte undeutlich klangen. «Wir sind ein bescheidenes Haus», fuhr er fort. «Wir pflegen Kranke, helfen Armen und dienen unserem Gott.» Er blickte die Reihe der Dänen entlang, behelmte Männer mit grimmiger Miene, waffenstarrend und mit Schilden gewappnet. Die Wolken hingen tief an diesem Tag, grau und schwer, und es regnete ein wenig. Aus der Kirche trugen zwei Mönche eine Truhe, die sie hinter Egfrith abstellten, worauf sie wieder kehrtmachten. «Das ist alles, was wir haben», sagte Egfrith. «Ihr könnt es gern haben.»
    Auf ein Zeichen Ragnars hin stieg ich vom Pferd, ging an dem Abt vorbei und öffnete die Truhe. Sie war bis zur Hälfte mit angelaufenen Silbermünzen von schlechter Qualität gefüllt. Mit einem Blick auf Ragnar zuckte ich mit den Achseln, um kundzutun, dass dieser Schatz nicht viel hergab.
    «Ihr seid Uhtred!», sagte Egfrith, der mich die ganze Zeit angestarrt hatte.
    «Und?», entgegnete ich streitlustig.
    «Ich hörte, Ihr wäret tot», sagte er. «Gelobt sei Gott, dass dem nicht so ist.»
    «Ihr hörtet, ich wäre tot?»
    «Dass ein Däne Euch getötet hätte.»
    Wir sprachen Englisch miteinander, und Ragnar wollte wissen, wovon die Rede war. Also übersetzte ich für ihn. «Hieß dieser Däne Weland?», fragte Ragnar.
    «So wird er genannt», antwortete Egfrith.
    «Wird?»
    «Weland ist der Mann, der sich hier bei uns von seinen Verletzungen erholt, Herr.» Egfrith musterte mich erneut, als könne er kaum glauben, dass ich lebendig vor ihm stand.
    «Seine Verletzungen?», fragte Ragnar.
    «Er wurde angegriffen, Herr, von einem Mann aus der Festung. Von Bebbanburg.»
    Ragnar wollte natürlich die ganze Geschichte hören. Anscheinend hatte es Weland zurück zur Burg geschafft und behauptet, mich getötet zu haben. Also hatte er seine Belohnung in Silbermünzen erhalten und war unter dem Geleit mehrerer Männer abgezogen. Zu ihnen gehörte auch Ealdwulf, der Schmied, mein Geschichtenerzähler von damals. Und Ealdwulf hatte Weland einen Axthieb in die Schulter versetzt, bevor ihn die anderen daran hindern konnten. Weland war auf die Insel gebracht worden und Ealdwulf, falls er noch lebte, war zurück in Bebbanburg.
    Falls Egfrith in Weland einen Garanten für seine Sicherheit zu haben glaubte, hatte er sich verrechnet. Ragnar bedachte ihn mit einem finsteren Blick. «Du hast Weland bei dir aufgenommen, obwohl du ihn für den Mörder Uhtreds halten musstest?»
    «Dies ist ein Haus Gottes», antwortete Egfrith. «Wir nehmen jeden Menschen bei uns auf.»
    «Auch Mörder?» Ragnar griff hinter sich und löste das Lederband, das seine Haare zusammenhielt. «Sag mir, Mönch, wie viele von deinen Leuten sind in den Süden gezogen, um ihren Kumpanen dabei zu helfen, Dänen zu ermorden?»
    Egfrith zögerte, was Antwort genug war. Als Ragnar sein Schwert zog, fand der Abt seine Sprache wieder. «Es waren einige wenige, Herr. Ich konnte sie nicht zurückhalten.»
    «Du konntest sie nicht zurückhalten?» Ragnar schüttelte den Kopf, und das feuchte, lange Haare flog um sein Gesicht. «Und doch bist du hier der Anführer?»
    «Ich bin der Abt, ja.»
    «Dann hättest du sie zurückhalten können.» Ragnar war zornig, und ich vermute, dass er an die Leichen dachte, die wir bei Gyruum ausgegraben hatten, an die dänischen Mädchen, deren Schoß noch voller Blut gewesen war. «Tötet sie», forderte er seine Männer auf.
    Diesmal beteiligte ich mich nicht. Ich stand abseits am Ufer, lauschte den Schreien der Vögel, sah zur Bebbanburg hinüber und hörte hinter mir die Klingen ihr Werk verrichten. Brida kam an meine Seite, ergriff meine Hand und schaute über das weiß gefleckte Grau des Wassers auf die große Felsenfestung.
    «Ist das dein Haus?», fragte sie.
    «Das ist mein Haus.»
    «Er hat dich einen Herrn genannt.»
    «Ich bin ein Herr.»
    Sie lehnte sich an mich. «Du glaubst wohl, dass uns der Christengott beobachtet.»
    «Nein», sagte ich und fragte mich, woher sie wissen konnte, dass ich genau darüber nachgedacht

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