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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Männer, die Geschichten austauschten und sich mit Rätselfragen unterhielten. Ealdwulf war darin ein Meister und verblüffte die Dänen immer wieder. Ich übersetzte seine Rätsel, die sich häufig um Männer und Frauen drehten und das, was sie miteinander trieben. Diese waren meist leicht zu lösen, doch ich bevorzugte die schwierigeren Rätsel: Von meinem Vater und meiner Mutter ausgesetzt, nahm mich eine treue Verwandte auf, und obwohl ich all ihre Kinder tötete, liebte und nährte sie mich, bis ich mich über die Häuser der Menschen aufschwang und sie verließ. Die Lösung wollte mir einfach nicht einfallen, auch den anderen nicht, und es half kein Drängen und Betteln, Ealdwulf behielt die Antwort für sich. Brida, der ich das Rätsel später vortrug, brauchte nicht lange zu überlegen. «Ein Kuckuck, was sonst?», sagte sie sofort und hatte natürlich Recht.
    Schon im Frühjahr musste die Schmiede erweitert werden, und den ganzen Sommer über schmiedete Ealdwulf Schwerter, Speerspitzen, Axtklingen und Piken. Auf meine
    Frage, ob es ihm schwer falle, für die Dänen zu arbeiten, zuckte er nur mit den Schultern und sagte: «Ich habe ja auch auf der Bebbanburg für sie gearbeitet. Dein Onkel steht ihnen zu Diensten.»
    «Aber dort sind doch keine Dänen?»
    «Nein. Aber sie kommen manchmal zu Besuch und fordern Abgaben.» Plötzlich ertönte vor der Schmiede ein gellender Schrei.
    Ich rannte nach draußen zu Ragnar, der einer Gruppe von Männern entgegenblickte, die von einem berittenen Kämpfer angeführt wurde. Und von was für einem Kämpfer! An seinem Sattel hingen ein prächtiger Helm, ein bunt bemalter Schild und ein langes Schwert, er selbst trug ein Kettenhemd und die Arme voller Reife. Es war ein junger Mann mit langem blondem Haar und einem dichten goldfarbenen Bart. Wie ein brunftiger Hirsch röhrte er Ragnar entgegen, der auf ihn zustürzte, sodass ich fürchtete, der junge Reiter würde sein Schwert ziehen. Stattdessen aber sprang er aus dem Sattel und lief Ragnar entgegen. Die beiden fielen einander in die Arme und klopften sich überschwänglich auf die Schultern, und als sich Ragnar zu uns umdrehte, lag ein so strahlendes Lachen in seinem Gesicht, dass er damit die finsterste Höllenkammer hätte erleuchten können. «Mein Sohn!», rief er mir zu. «Mein Sohn!»
    Ragnar der Jüngere war mit einer Schiffsmannschaft aus Irland zurückgekehrt. Obwohl er mich noch nie gesehen hatte, nahm er mich wie seinen Bruder Rorik herzlich in den Arm, wirbelte seine Schwester durch die Luft, küsste seine Mutter, beschenkte die Diener mit silbernen Kettengliedern und tätschelte die Hunde. Ein Festmahl wurde vorbereitet, und am Abend berichtete er uns, dass er jetzt sein eigenes Schiff kommandiere und nur wenige Monate bleiben könne, weil er auf Ivars Geheiß im Frühling wieder nach Irland zurückkehren müsse. Er war ganz nach seinem Vater geraten, und ich mochte ihn sofort, denn Ragnar der Jüngere sorgte überall für gute Stimmung. Anfangs wohnte er mit einigen seiner Männer bei uns, doch im Herbst wurde ein Haus angebaut, das mit seinem hohen Giebel, an den der Schädel eines Ebers genagelt wurde, einem Grafen Ehre gemacht hätte.
    «Du hattest Glück», sagte er eines Tages zu mir. Wir deckten gerade das Dach und kämmten Bündel aus Roggenstroh.
    «Glück?»
    «Dass dich mein Vater in Eoferwic nicht getötet hat.» «Das stimmt», bestätigte ich.
    «Er hatte immer schon einen Blick für die richtigen Männer», sagte er und reichte mir einen Krug Ale. Er saß rittlings auf dem First und schaute über das Tal. «Ihm gefällt es hier.»
    «Ja. Wie ist Irland?»
    Er grinste. «Nichts als Torf und Schorf. Und heimtückische Skraelinge.» So nannten die Wikinger die Einheimischen der Insel. «Aber sie kämpfen wacker. Es gibt Silber dort, und je verbissener sie kämpfen, desto größer ist unsere Beute. Willst du das Ale allein trinken oder bekomme ich auch was?»
    Ich reichte ihm den Krug zurück und sah zu, wie ihm Ale durch den Bart rann, als er den Rest in sich hineinstürzte. «Irland ist kein schlechter Ort», sagte er, «aber bleiben möchte ich nicht. Ich würde gern hierher zurückkommen, mich in Wessex niederlassen. Eine Familie gründen. Dick werden.»
    «Warum bleibst du nicht einfach?»
    «Weil Ivar will, dass ich auf die Insel zurückkehre, und Ivar ist ein guter Herr.»
    «Er macht mir Angst.»
    «Ein guter Herr muss Angst machen.»
    «Das macht dein Vater aber nicht.»
    «Dir vielleicht

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