Das letzte Koenigreich
Frühling und Sommer dieses Jahres in guter Erinnerung, denn in jener Zeit schmiedete mir Ealdwulf ein Schwert. «Ich hoffe, es ist besser als mein erstes», bemerkte ich spöttisch.
«Euer erstes?»
«Das ich getragen habe, als wir gegen Eoferwic gezogen sind», antwortete ich.
«Ach, das Ding. Das habe nicht ich gemacht. Euer Vater hat es in Berewic erstanden, und ich habe ihm gesagt, dass es nichts tauge und viel zu kurz sei, gerade mal gut genug, um Enten abzustechen, zum Kämpfen aber völlig ungeeignet. Was ist daraus geworden?»
«Die Klinge ist abgeknickt», antwortete ich und erinnerte mich an Ragnars Gelächter beim Anblick meiner kümmerlichen Waffe.
«Schlechtes Eisen, viel zu weich.»
Er erklärte mir, dass es zwei Arten von Eisen gab, weiches und hartes. Das harte ließ sich besonders gut schärfen, war aber spröde und zerbrach beim ersten schweren Aufprall, während sich das weiche Metall allzu leicht verbog, wie mein kleines Schwert. «Darum ist es das Beste, beide Arten zu verwenden.» Ich sah dabei zu, wie er sieben Eisenstangen herstellte. Drei davon waren aus hartem Metall. Warum es härter war als das andere, wusste er nicht, allerdings hatte er aus Erfahrung gelernt, dass Eisen, wenn er es glühend in brennende Holzkohle legte und dann abkühlen ließ, besonders fest und starr wurde. Ragnar nannte dieses Eisen Stahl. Die vier anderen Stangen waren um einiges länger. Sie wurden kein zweites Mal in die Esse gelegt, sondern spiralförmig in sich verdreht, bis sie auf das Maß der harten Eisenstangen geschrumpft waren. «Warum machst du das?», fragte ich.
«Das werdet Ihr schon noch sehen», antwortete er geheimnisvoll.
Sechs Stangen waren ungefähr so dick wie ein Männerdaumen, die siebte, aus hartem Material bestehend, war ein wenig dicker und diente der zu schmiedenden Klinge als Rückgrat. Sie war auch länger als die anderen Stangen, weil der überstehende Teil für das Heft gebraucht wurde. Ealdwulf hämmerte nun auf diese Stange ein, bis ein schlankes, dünnes Blatt entstand. Dann legte er zu beiden Seiten jeweils zwei der weichen Metallstangen an und an diese, für die scharfen Kanten, zwei der harten. Dieses Stangenbündel sah sehr seltsam aus und ließ kaum erahnen, dass daraus ein Schwert entstehen sollte. Doch nun begann erst die eigentliche Arbeit. Mit wuchtigen Hammerschlägen verschweißte Ealdwulf die Eisen, brachte sie immer wieder in der Esse zum Glühen. Schwarze Schlacke brannte aus dem Eisen, Funken sprühten, und zischend tauchte das heiße Metall ins Wasser oder lag, um langsam abzukühlen, in einer mit Asche gefüllten Wanne. Es dauerte Tage, doch allmählich nahm das Schwert Gestalt an. Das weiche Eisen hatte sich mit dem harten verbunden und bildete wundersame Muster aus, die an Rauchschlieren erinnerten. Bei hellem Tageslicht waren sie nicht zu sehen, aber in der Dämmerung, oder wenn bei kaltem Wetter der Atem auf der Klinge beschlug, traten sie zum Vorschein. Brida nannte diese Muster Schlangenhauch, und ich beschloss, dass dies der Name meines Schwertes sein sollte: Schlangenhauch. Zum Schluss hämmerte Ealdwulf eine lange Riefe in die Mitte beider Klingenseiten, damit das Schwert nicht im Fleisch des Feindes stecken bleiben konnte. «Blutrinnen», knurrte er.
Der Knauf des Heftes bestand ebenfalls aus Eisen, wie auch die schwere Querstange, und für den Griff schnitzte ich mir zwei Stücke aus Eschenholz zurecht . Ich hätte das Schwert gern mit Gold oder vergoldeter Bronze verziert, doch Ealdwulf weigerte sich und sagte: «Das ist ein Werkzeug, weiter nichts. Ein Werkzeug, das dir die Arbeit erleichtert, so wie mir mein Hammer hilft.» Er hielt die Klinge in die Höhe und ließ das Sonnenlicht auf der blank polierten Oberfläche spielen. «Eines Tages», sagte er und beugte sich mir zu, «wirst du damit Dänen töten.»
Das Schwert, mein Schlangenhauch, war schwer, viel zu schwer für einen Dreizehnjährigen, aber ich würde bald stark genug sein, um es führen zu können. Die Klinge verjüngte sich schon von der Mitte an und war durch das fehlende Gewicht an der Spitze ausgewogen. Ragnar bevorzugte eine schwere Spitze, um mit größerer Wucht auf die Schilde der Gegner einschlagen zu können. Mein Schwert hatte dagegen den Vorteil, wendiger geführt werden zu können. Hinzu kam, dass es dank der handwerklichen Fähigkeiten Ealdwulfs geradezu unverwüstlich war. Ich besitze es noch heute. Der Eschengriff wurde schon vor langer Zeit ausgetauscht, und die
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