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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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Kanten sind schartig, auch die Klinge ist, weil häufig geschliffen, noch schlanker geworden, aber immer noch ist es ein wundervolles Schwert. Manchmal hauche ich auf die Klinge, dann tauchen, wie von Zauberhand gemalt, die blau-silbrigen Schlierenmuster auf. Sie erinnern mich an jenen Frühling und Sommer in den northumbrischen Wäldern, und ich sehe Brida vor mir, wie sie sich in der blanken Klinge spiegelt.
    Mein Schlangenhauch ist außerdem voller Magie. Ealdwulf hatte, als er das Schwert schmiedete, Zauberformeln verwendet, die er streng geheim hielt, und Brida hatte es einmal mit in den Wald genommen, wo sie eine ganze Nacht verbrachte, ohne mir zu verraten, was sie getan hatte, und so war auch der Zauber einer Frau in das Schwert übergegangen. Als einmal mehr ein blutiges Ritual in einer eigens dafür ausgehobenen Grube abgehalten und ein Mann, ein Pferd, ein Widder, ein Bulle und ein Enterich geopfert werden sollten, bat ich Ragnar, er möge den todgeweihten Mann mit meinem Schwert erstechen, damit Odin von ihm Kenntnis nähme und ihm gewogen sei. Das waren die Zaubereien eines Heiden und Kriegers.
    Doch ich glaube, Odin war ihm tatsächlich gewogen, denn meinem Schwert sind mehr Männer zum Opfer gefallen, als ich mir in Erinnerung rufen kann.
    Im Spätsommer war Schlangenhauch endlich fertig, und ehe mit dem Herbst die ersten Stürme das Meer aufwühlten, zogen wir nach Süden. Es war an der Zeit, England der Vergessenheit anheim zu stellen, und so segelten wir nach Wessex.

FÜNF

    Wir sammelten uns in Eoferwic und wurden von Egbert notgedrungen willkommen geheißen. Er ritt zum Flussufer, wo die Schiffe lagen. Die Mannschaften, ein wilder Haufen, hatten Aufstellung genommen und bedachten den jämmerlichen König, der kein König war, mit verächtlichen Blicken, als er ihre Reihen abnahm. Zu seiner dänischen Leibgarde gehörten auch Kjartan und Sven. Vermutlich bestand ihre Aufgabe weniger darin, sein Leben zu schützen, als den Gefangenen zu bewachen. Kjartan war mit einem Kettenhemd und einer riesigen Streitaxt gewappnet, die an seiner Schulter hing. Sven, inzwischen zu einem Mann herangewachsen, trug eine Binde über dem fehlenden Auge, ein langes Schwert, einen Umhang aus Fuchsfellen und zwei Armreife. «Sie haben an dem Überfall auf Streonshall teilgenommen», klärte mich Ragnar auf. Offenbar hatten sie bei dem Rachezug gegen das Nonnenkloster gute Beute gemacht.
    Kjartan, den ein Dutzend Reife an den Armen auszeichneten, blickte Ragnar in die Augen und sagte: «Ich würde Euch nach wie vor dienen.» Von der Unterwürfigkeit, die er früher an den Tag gelegt hatte, war jetzt nicht mehr viel zu spüren.
    «Ich habe einen neuen Schiffsmeister», entgegnete Ragnar. Mehr sagte er nicht, worauf Kjartan abzog, gefolgt von Sven, der mir mit der linken Hand das Zeichen des Teufels machte.
    Der neue Schiffsmeister hieß Thorbjorn, genannt Toki. Er war ein großartiger Seemann und noch tapferer als Krieger. Er wusste viele Geschichten zu erzählen, Geschichten über seine Reisen mit den Svear in fremde Länder, wo es außer Birken keine Bäume gab und wo über viele Monate Winter herrschte. Er behauptete, dass die Bewohner dort ihre eigenen Kinder fräßen, Riesen anbeteten und am Hinterkopf ein drittes Auge trügen, und manche von uns glaubten seine Geschichten.
    Mit der letzten Sommerflut ruderten wir nach Süden, entlang der öden Küste Ostangliens, wo wir des Nachts lagerten. Wir steuerten auf die Mündung der Temes zu, über die wir, wie Ragnar sagte, bis an die Nordgrenze von Wessex gelangen würden.
    Diesmal führte Ragnar die Flotte an. Ivar der Knochenlose war nach Irland gezogen und hatte von Ragnar ein Goldgeschenk für dessen Sohn mitgenommen, während Ubba Dalriada, das Land nördlich von Northumbrien, plünderte. «Da ist nicht viel zu holen», spottete Ragnar, aber wie Ivar, so hatte auch Ubba während seiner Raubzüge durch Northumbrien, Mercien und Ostanglien schon so reiche Schätze anhäufen können, dass ihm nicht der Sinn danach stand, über Wessex herzufallen. Allerdings sollte er sich später, wie ich noch berichten werde, eines anderen besinnen und ebenfalls in den Süden ziehen.
    Ivar und Ubba waren also nicht dabei. Statt ihrer führte Halfdan, der dritte Bruder, den Angriff auf Wessex. Er zog mit seinem Heer über Land und würde irgendwo an der Temes zu uns stoßen. Mit dem Wechsel in der Führung war Ragnar nicht einverstanden. Er hielt Halfdan für einen ungestümen Hitzkopf,

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