Das letzte Koenigreich
Anschließend legten wir Feuer an alle Holzbauten.
Als wir aufbrachen, hörte es auf zu regnen. Wir kehrten aufs Festland zurück und schwenkten auf meine Bitte nach Süden. An dem Damm angelangt, der zur Bebbanburg führte, hielten wir an. Ich löste das Band aus meinem Haar und reichte Brida mein Banner. Mit einem geborgten Schwert an der Seite ritt ich nach Hause.
Brida begleitete mich als meine Standartenträgerin. Sie ritt auf Ravns Pferd, während der Alte und sein Sohn auf uns warteten. Rechts rollten schaumgekrönte Brandungswellen auf das Ufer, während das Wasser zur Linken fast unbewegt war. Vom Wehrwall und dem unteren Torhaus aus beobachteten uns Männer. Brida hielt an und ließ das Banner im Wind fliegen, als ich mein Pferd antrieb und auf das Torhaus zugaloppierte, vor dem ich jetzt meinen Onkel erblickte. Da war er, A Elfric der Verräter, mit seinem hageren Gesicht und den dunklen Haaren. Ich wandte ihm mein Gesicht zu, damit er mich erkannte, dann schleuderte ich ihm Welands Kopf vor die Füße, so wie einst der Kopf meines Bruders abgeliefert worden war.
Ich warf dreißig Silberlinge hinterher. Judaslohn. Diese christliche Geschichte war mir noch gut in Erinnerung. Sie war eine der wenigen, die mir wirklich gefallen hat.
Auf dem Wall standen Bogenschützen, doch keiner legte auf mich an. Sie beobachteten nur. Ich zeigte meinem Onkel das Zeichen des Teufels, indem ich die äußeren Finger der rechten Hand ausstreckte, spie vor ihm aus und machte kehrt. Er wusste jetzt, dass ich noch lebte und dass er mich zum Feind hatte. Und ich wusste, dass ich ihn wie einen Hund töten würde, sobald sich mir eine Gelegenheit dazu bot.
«Uhtred!», rief Brida. Sie hatte einen Blick zurückgeworfen und gesehen, dass eine der Wachen vom Wall gesprungen war und hinter uns her rannte. Es war ein großer, bärtiger Mann, mir an Kräften weit überlegen. Die Bogenschützen schössen Pfeile auf ihn ab, die ringsum in den Boden schlugen. Und dann erkannte ich in dem Mann Ealdwulf wieder, den Schmied.
«Uhtred!», rief er, «mein Herr!» Ich ritt zurück, um ihm mit der Flanke meines Pferdes Deckung zu bieten, doch die Pfeile kamen uns nicht einmal nahe, und ich vermute, dass die Schützen absichtlich ihr Ziel verfehlten. «Ihr lebt!» Ealdwulf strahlte.
«Ich lebe.»
«Ich komme mit Euch», erklärte er entschieden. «Aber deine Frau, dein Sohn?»
«Mein Weib ist letztes Jahr gestorben und mein Sohn beim Fischen ertrunken.»
«Das tut mir Leid», sagte ich. Ein Pfeil zischte durchs Dünengras, konnte uns aber nicht gefährlich werden.
«Wotan gibt und nimmt», entgegnete Ealdwulf. «Jetzt hat er mir meinen Herrn zurückgegeben.» Als er Thors Hammer auf meiner Brust sah, lächelte er, denn auch er war, was die Christen einen Heiden nannten.
Nun hatte ich meinen ersten Gefolgsmann, Ealdwulf den Schmied.
«Er ist ein trübsinniger Mann, Euer Onkel», berichtete mir Ealdwulf, als wir uns nach Süden wandten. «So unglücklich wie Scheiße. Nicht einmal sein neugeborener Sohn kann ihn aufheitern.» «Er hat einen Sohn?»
« A Elfric der Jüngere wird er genannt, ein herziges kleines Ding. So gesund, wie Ihr es seid. Obwohl Gytha krank ist. Sie wird nicht mehr lange leben. Und Ihr, Herr? Ihr seht gut aus.»
«Es geht mir auch gut.»
«Ihr seid jetzt zwölf?»
«Dreizehn.»
«Also ein Mann. Ist das Eure Frau?», fragte er mit einem Blick auf Brida. «Meine Freundin.»
«Kein Speck auf den Rippen», befand Ealdwulf. «Aber zur Freundin reicht's.» Der Schmied zählte inzwischen an die vierzig Jahre. Seine Hände, die Unterarme und das Gesicht waren dunkel und vernarbt von zahllosen kleineren Verbrennungen seiner Esse. Er hielt trotz seines Alters mühelos mit meinem Pferd Schritt. «Erzählt mir von diesen Dänen», sagte er und warf einen misstrauischen Blick auf die Kämpfer um Ragnar.
«Sie werden von Graf Ragnar angeführt», sagte ich. «Das ist der Mann, der meinen Bruder getötet hat. Ein guter Mann.»
«Er hat Euren Bruder umgebracht?» Ealdwulf war sichtlich entsetzt.
«Dem Schicksal weicht nichts und niemand aus», sagte ich, um mir eine längere Erklärung zu ersparen. «Mögt Ihr ihn?»
«Er ist mir wie ein Vater. Auch du wirst ihn mögen.»
«Aber er ist und bleibt ein Däne, oder? Die Dänen verehren zwar die richtigen Götter, aber es wäre mir trotzdem lieber, wenn sie wieder verschwänden.»
«Warum?»
«Warum?» Ealdwulf zeigte sich schon wieder entsetzt. «Weil dies nicht ihr Land
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