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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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immer noch über das letzte englische Königreich und wahrte den Frieden. Manchmal sprach Ragnar davon, dass er sein Schwert gürten, in den Süden zurückkehren und noch mehr Reichtümer ansammeln wolle, doch von seiner Kampfeslust schien nach diesem Sommer nicht viel übrig geblieben. Er sandte eine Botschaft nach Irland, mit der er seinen Sohn bat, nach Hause zu kommen, aber auf solche Botschaften konnte man sich nie verlassen, und Ragnar der Jüngere kam in diesem Jahr nicht. Ragnar machte sich auch um seine Tochter Thyra Gedanken. «Er meint, es wäre an der Zeit, dass ich heirate», sagte sie mir eines Tages beim Buttern. «Du?», lachte ich.
    «Ich bin fast dreizehn», erwiderte sie trotzig.
    «Das stimmt. Und wer soll dich heiraten?»
    Sie zuckte mit den Schultern. «Mutter findet Anwend passend.» Anwend gehörte zu Ragnars Gefolge. Er war ein wenig älter als ich, von kräftiger Statur und stets gut gelaunt. Bislang hatte Ragnar jedoch gehofft, seine Tochter mit einem von Ubbas Söhnen verheiraten zu können, was aber seiner Frau nicht behagte und mittlerweile auch ihm selbst nicht mehr so verlockend erschien, weil Thyra dann fortziehen müsste. Ich mochte Anwend und glaubte, dass er gut zu Thyra passen würde, die immer schöner wurde. Sie hatte langes goldenes Haar, weit auseinander stehende Augen, eine gerade Nase, makellose Haut, und wenn sie lachte, war es, als ginge die Sonne auf. «Mutter hofft, dass ich viele Söhne zur Welt bringe», sagte sie.
    «Das hoffe ich auch.»
    «Ich würde aber auch gern eine Tochter haben.» Sie mühte sich mit dem Rührschwengel ab, weil die Butter dick und die Arbeit schwerer wurde. «Übrigens findet Mutter, dass auch Brida heiraten sollte.»
    «Vielleicht hat Brida anderes im Sinn», erwiderte ich.
    «Sie will dich zum Mann», sagte Thyra.
    Ich lachte. Für mich war Brida eine Freundin, meine engste Freundin, und wir schliefen auch heimlich miteinander, was aber nicht hieß, dass ich sie heiraten wollte. Ich wollte überhaupt nicht heiraten. Ich hatte nur Schwerter, Schilde und Schlachten im Kopf, und Brida dachte vor allem an Kräuter.
    Sie war wie eine Katze. Sie kam und ging auf leisen Sohlen. Sie lernte alles, was ihr Sigrid über Kräuter und deren Anwendung beibringen konnte. Die Ackerwinde eignet sich als Abführmittel, Geschwüre lassen sich mit Leinkraut behandeln, Sumpfdotterblumen halten die Elfen von Milcheimern fern, die Vogelmiere ist gut gegen Husten und die Kornblume gegen Fieber. Brida lernte Zauberformeln, die sie vor mir geheim hielt, und glaubte zu wissen, dass die Geister über einen kämen, wenn man nachts ganz still läge, sich nicht rührte und kaum atmete. Ravn hatte ihr beigebracht, wie man mit den Göttern träumte. Dazu musste man Ale trinken, dem zerstoßene Fliegenpilze beigerührt waren. Sie wurde häufig davon krank, dass sie zu viel davon trank, wollte aber nicht darauf verzichten. Sie dichtete ihre ersten Lieder, Lieder über Vögel und andere Tiere, und Ravn meinte, sie sei ein wahrer Skalde. Nachts, wenn wir einen Kohlenmeiler hüteten, sang sie mir manchmal mit zarter, rhythmischer Stimme ihre Lieder vor. Sie hatte jetzt einen Hund, der ihr auf Schritt und Tritt folgte. Er war ihr auf unserer Rückreise in Lundene zugelaufen, ein schwarz-weiß gefleckter Rüde, so schlau wie sie selbst. Sie nannte ihn Nihtgenga, was Nachtwandler oder Kobold bedeutete. Er saß immer neben uns vor dem Meiler und spitzte die Ohren, ja, ich schwöre, er lauschte ihrem Gesang. Brida machte Rohrflöten und blies darauf melancholische Weisen, und Nihtgenga schaute sie aus großen, traurigen Augen an, bis er, von der Musik überwältigt, die Schnauze hob und zu heulen anfing, worüber wir jedes Mal lachten. Dann war er beleidigt, und Brida musste ihn tätschelnd und kraulend wieder aufmuntern.
    Der Krieg war vergessen, bis sich zur Mittsommerzeit, als eine große Hitze auf den Hügeln lastete, unerwarteter Besuch einstellte. Graf Guthrum der Unglückliche kam in unser entlegenes Tal, begleitet von zwanzig schwarz gekleideten Reitern. Er verbeugte sich respektvoll vor Sigrid, die ihn dafür schalt, dass er seinen Besuch nicht angekündigt hatte. «Ich hätte Euch ein Fest bereitet», sagte sie.
    «Ich wollte eure Speicher nicht plündern und habe Vorräte mitgebracht», entgegnete er und deutete auf mehrere Packpferde.
    Er war aus dem fernen Lundene gekommen, um mit Ragnar und Ravn zu sprechen. Ragnar lud mich ein, an der Unterhaltung teilzunehmen, weil er

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