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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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schaffen, was er in Reichweite hatte, dem Fleck auf seiner Schürze, einem Kugelschreiber, der leckte und seine Finger blau färbte, einem gläsernen Elefanten, den er aus einer Schublade genommen hatte, und einem silbernen, mit roten Steinen verzierten Federmesser. Er antwortete immer nur kurz und nie informativ. Billy T. war ehrlich erschöpft, als er versuchte, das Gespräch zusammenzufassen.
    »Sie haben Brede also vor elf Jahren in Mailand kennengelernt. Dann sind Sie nach Norwegen übergesiedelt. Sie sprechen übrigens gut Norwegisch. Fließend geradezu.«
    »Was?«
    »Sie sprechen gut Norwegisch!«
    »Ach so. Meine eine Großmutter war Norwegerin. Als Kind war ich jeden Sommer hier.«
    »Brede arbeitete im Restaurant …« Billy T. wedelte mit der rechten Hand, um den widerspenstigen Zeugen um Hilfe zu bitten.
    »Santini.«
    »Santini, ja. In Mailand. Dann haben Sie beide sich angefreundet, und Sie sind nach Norwegen gekommen. Nachdem Sie Ihr Lokal in Verona verkauft hatten, stimmt das?«
    »Mhm.«
    Der Rüssel des Elefanten brach ab. Gagliostro blieb hilflos sitzen und preßte die Bruchflächen aufeinander, als rechne er damit, daß die Glasstücke wieder zusammenwachsen würden, wenn er nur Geduld genug aufbrächte.
    »Sie haben also Ihr Geld genommen und sind nach Norwegen gegangen, um noch mehr zu verdienen. Zusammen mit Brede.«
    »Ja.«
    »Aber das hat ziemlich lange gedauert. Bis Sie dieses Restaurant eröffnet haben, meine ich. Und in der Zwischenzeit haben Sie Ihre Pläne offenbar noch mal geändert. Denn Sie und Brede sind vor sieben oder acht Jahren in ein Projekt in Italien eingestiegen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Würden Sie bitte dieses Tier in Ruhe lassen!«
    Verdutzt legte Gagliostro den Elefanten mit dem Rüssel zwischen den Beinen auf die Tischplatte. Billy T. rieb sich mit der einen Hand den Rücken und schaltete mit der anderen das Diktiergerät aus.
    »Wir tauschen die Plätze«, sagte er und erhob sich.
    »Bitte?«
    »Wir tauschen die Plätze, habe ich gesagt. Mir bricht sonst das Kreuz durch. Na los. Setzen Sie sich auf den Kasten. Und lassen Sie mir den Sessel.«
    Gagliostro erhob keinen nennenswerten Widerspruch, als er seinen bequemen Sitzplatz aufgeben mußte. Doch statt sich auf den Apfelsaftkasten zu setzen, klappte er einen in die Wand eingelassenen Sitz herunter; es war unmöglich, diesen Klappstuhl zu entdecken, wenn man nichts von ihm wußte. Billy T. schloß die Augen. Er blieb eine ganze Weile zurückgelehnt im Sessel sitzen. Hier unten war nichts zu hören als ein fernes Scheppern von Kochtöpfen und das plötzliche, schrille Lachen einer Frau oben im Haus.
    »Sindre Sand«, sagte Billy T., ohne das Diktiergerät wieder einzuschalten. »Kennen Sie den?«
    »Ja.«
    »Wie gut?«
    »Nicht sehr.«
    »Kennen Sie ihn nicht sehr gut, oder kennen Sie ihn nicht sehr?«
    Gagliostro gab keine Antwort. Er zupfte sich am Ohrläppchen und öffnete kurz den Mund, nur um ihn hörbar wieder zu schließen. Er starrte zu Boden.
    Billy T. hatte seit vier Tagen kaum geschlafen. Hanne Wilhelmsens Rückkehr machte ihm mehr zu schaffen, als er das für möglich gehalten hatte. Er war tief in Gedanken versunken gewesen und wußte noch immer nicht, aus welchem Impuls heraus er zu der Galerie im sechsten Stock hinaufgeblickt hatte. Als er sah, wie sie sich über das Geländer beugte, und als er ihren Blick spürte, der zu weit entfernt war, um von ihm gelesen zu werden, aber stark genug, um ihn die alte Intimität spüren zu lassen, die er seit einem halben Jahr zu vergessen suchte, hätte er umfallen mögen. Er hatte sich krank gefühlt, ganz einfach krank. Die Übelkeit hatte sich erst gelegt, als er sich hinter verschlossener Tür in seinen Büropapierkorb erbrochen hatte. Seither versuchte er, nicht an sie zu denken. An ihren Geruch, ihr Parfüm. Ihre Unsitte, sich mit dem rechten Zeigefinger über die Schläfe zu reiben, wenn sie über etwas nachdachte, und dabei das eine Auge halb zu schließen; er wollte nicht an ihre Hände denken, an die Daumen, die zwischen seinen Schulterblättern rotierten, wenn sie in der Kantine hinter ihm stand; nicht daran, wie sie ihn auf den Kopf küßte und neckte, weil er stöhnte; er wollte das Klappern ihrer Stiefel – immer trug sie Stiefel – auf dem unverwüstlichen Linoleumboden der Wache nicht hören; er hörte Hannes Absätze über den Boden klacken und haßte sie.
    Er liebte sie, und das hatte er erst jetzt wirklich begriffen.
    »Kennen Sie Sindre Sand

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