Das letzte Opfer (German Edition)
Worten: «Ich kann mir das nicht vorstellen, Carmen.»
Dabei wusste Klinkhammer nicht mehr, was er sich vorstellen sollte. Im ersten Schock geriet er ins Grübeln. Die Verdachtsmomente gegen Scheib waren nicht zu leugnen. Dass er sich am Samstagabend nicht mit Stichler auseinander setzen konnte, es hätten Schuldgefühle sein können. Schon aus dem Grund hörte Klinkhammer aufmerksam zu.
Barbara Lohmann stand nicht mehr zur Debatte. Man hatte in Frechen genügend Material sichergestellt, um ihren Mörder zu überführen. Leitner senior hatte zwar gründlich gewischt, jedoch nicht alle Spuren beseitigt, die sein Sohn hinterlassen hatte. Sie mussten sich am Ostersonntag stundenlang in dem kleinen Haus in Frechen aufgehalten haben, während Norbert im Auto vor der Tür saß. In der Zeit war Stefan Leitner auch in Barbaras Zimmer und im Bad gewesen, hatte in Schränken und Schubfächern gewühlt, seine Fingerabdrücke hinterlassen und ein paar Sachen mitgenommen, ohne dass sein Vater es bemerkt hatte.
Bei einer Hausdurchsuchung in München fand man unter anderem einen Lippenstift, den Barbara erst am Gründonnerstag in Köln gekauft und nur einmal benutzt hatte. Der Kassenbon befand sich noch in ihrer Geldbörse. Damit war auszuschließen, dass sie den Lippenstift bei einem früheren Besuch in München vergessen hatte, wie Stefan Leitner behauptete. Der Einsatz eines Leichenspürhundes zeigte, dass Barbara im Wagen von Leitner senior nach Frechen gebracht worden sein musste.
Stefan Leitner wurde verhaftet, sein Vater ebenfalls unter Anklage gestellt. Gegen Anni Weingräber leitete der Staatsanwalt ein Verfahren wegen Falschaussage, Irreführung und Behinderung der Ermittlungen ein. Weigler feierte seinen Sieg so ausgiebig, dass er noch zwei Tage später nicht ganz nüchtern war.
In den Tagen kämpfte Scheib noch – auf verlorenem Posten, das wusste er auch, obwohl Marko Stichler noch in U-Haft saß. Mit ihm reden ließen sie ihn nicht. Rohdecker hielt das nicht für sinnvoll. Man gestattete einem Polizisten, der selbst unter Verdacht stand, keine Verhöre.
So suchte er auf Stichlers Kreditkartenabrechnung nach den Wohnorten der Opfer. In Weilheim und Lübeck hatte er übernachtet, quer durch die Republik getankt, zuletzt am Ostermontag in der Nähe von Frankfurt. Danach hatte er seine Kreditkarte erst wieder am 3. Mai an einer Tankstelle in Köln vorgelegt. Wo Stichler sich aufgehalten hatte in den acht Tagen vom 25. April bis zu dem Mittwoch Anfang Mai, als er von seiner Fototour zurückkam, ließ sich nicht feststellen.
Er verglich Karens komplette Garderobe und den Inhalt ihrer Schmuckkassette mit seinen Listen. Umsonst. Er blätterte in staubigen Katalogen nach Mei Li Jau, betrachtete unzählige Setkarten von jungen Frauen, bis ihm die Gesichter vor den Augen verschwammen. Vergebens.
Er sichtete die beschlagnahmten Fotos, verglich sie mit seinen Aufnahmen aus dem Spessart und fand keine Übereinstimmungen. Wie auch? Seine Aufnahmen waren von Zeit und Jahreswechseln überholt. Natur veränderte sich. Aber es gab auch kein einziges Foto von Anni Weingräber im Gebüsch. Das konnte bedeuten, dass sich in dem Waldstück, wo es zu der Begegnung mit der alten Frau gekommen war, tatsächlich ein Grab befand. Doch als er in München anrief und darum bat, noch einmal eine Suchmannschaft hinauszuschicken, lachte man ihn aus.
Seine Dienststelle forderte ihn zweimal auf, zurück nach Wiesbaden zu kommen. Er ignorierte es, sprach mit Karens Tochter und der Frau des Dachdeckermeisters, die darauf beharrte, es sei ein schwarzes Autodach gewesen und kein Textilverdeck, das könne sie unterscheiden, sie sei ja nicht blöd.
Er ertrug die hämischen Blicke der Kölner Kripo und ihre neuen Erkenntnisse, die sie mit Vorliebe in seiner Nähe erörterten. Dass Oliver Lohmann Karen verletzt hatte, stand noch nicht mit absoluter Sicherheit fest. Die Abdrücke seines Daumens an ihrem Schreibtisch und am eigenen Schrubberstiel bewiesen nichts. Norbert gab an, Oliver sei mit dem Hausputz beschäftigt gewesen und habe alles stehen und liegen lassen, als er ihn am Ostersamstag abholte. Von dem Paketband, mit dem Karen gefesselt gewesen war, hatte man keine verwertbaren Abdrücke sichern können. Den Notarzt hatte es nicht gekümmert, dass er wichtiges Beweismaterial zerschnitt. Auf dem Streifen, mit dem ihre Augen verklebt gewesen waren, hatten sich nur Spuren ihrer eigenen Finger und zwei Abdrücke von Klinkhammer befunden.
Aber es
Weitere Kostenlose Bücher