Das letzte Opfer (German Edition)
Sache rundum dicht war.
Man konnte Hartwigs und Weiglers Vorgehen kaum als kollegial bezeichnen. Doch beide hatten in Scheib nie einen Kollegen gesehen. Für sie war er nur ein Spinner, der es mit seiner Theorie geschafft hatte, sich aufs hohe Ross zu schwingen, der seine Position bei einer übergeordneten Behörde nun nutzte, um andere durch die Gegend zu scheuchen.
Rohdecker war auch am Dienstagvormittag noch ahnungslos und versuchte ihr Glück in einem Verhör. Inzwischen gab es noch eine Aussage, die Marko Stichler belastete. Der Juwelier, bei dem er im Oktober 1996 den nun mitsamt der Rechnung verschwundenen Platinschmuck gekauft haben wollte, konnte das nach vier Jahren nicht mehr bestätigen, erklärte jedoch, Rechnungen würden gar nicht ausgestellt. Es gab Kassenbelege, auf denen die Namen der Kunden nicht vermerkt wurden. Und bei wertvollem Schmuck gab es Echtheitszertifikate. Über ein solches verfügte Marko nicht.
Leider waren Sarah und Christa Dierden nicht sicher, ob die Schmuckstücke, die Karen kurzzeitig getragen hatte, mit denen identisch waren, die Scheib gezeichnet hatte. Norbert beschwor, dass Ohrstecker und Ring exakt so ausgesehen hatten. Aber er hätte alles beschworen, was Marko belastete.
Rohdecker hatte immer noch nichts Stichhaltiges in der Hand. Und Marko hatte auf alles, was sie ihm vorhielt, eine Antwort. Der Schlüssel zu Margos Wohnung müsse ihm am Samstagnachmittag aus der Hosentasche gerutscht sein. Er habe die Hürther Kriminalbeamten in dieser Hinsicht nicht belogen. Er hätte ja erst in Köln festgestellt, dass er den Schlüssel nicht bei sich hatte. Genau das habe er gesagt.
Die spärliche Ausbeute seiner zweiwöchigen Fototour erklärte er damit, dass er bereits aussortiert hätte. Der geplante Bildband solle ja nicht so umfangreich werden. Terminkalender führe er nicht. Er vereinbare Termine kurzfristig, bei drei bis vier Wochen behielte er den Überblick. Was seine Verhandlungen in Frankfurt betraf, davon habe Margo gar nichts wissen können. Das habe sich auch für ihn überraschend ergeben – am Donnerstag. Seine Gesprächspartner seien polnische Staatsbürger gewesen. Da sie an ihn herangetreten seien, kenne er leider nur ihre Namen. Und über die «unreifen» Blümchen für Oma Christa lächelte er. Natürlich sei er am Samstagmorgen nicht durch die Garage gegangen, um die Kellertür zu öffnen. Da müsse Kevin etwas verwechseln, oder er hätte seiner Phantasie mal wieder freien Lauf gelassen.
Rohdecker gelangte zu der Einsicht, dass sie mit ihm ihre Zeit verschwendete. Eine harte Nuss, nur mit unumstößlichen Beweisen zu knacken. Und solche Beweise gab es auch am Dienstagvormittag noch nicht. Bei den in Frechen gesicherten Fingerabdrücken waren bisher keine von ihm aufgetaucht, was nichts bedeutete. Heutzutage wusste jeder kleine Ganove, dass man Handschuhe anzog.
Als sie zurück in ihr Büro kam, lag der Obduktionsbericht auf ihrem Schreibtisch. So wie es sich darstellte, war Barbara von hinten niedergeschlagen worden und nicht dazu gekommen, sich zu wehren. Betäuben und eine Decke drüber, hatte Stichler gesagt. Und sie mitsamt der Decke auf die eigene Couch gelegt, das passte. Die fehlende Unterwäsche passte ebenfalls, fand Rohdecker. Klinkhammer hatte sie über die Umstände bei Karens Vergewaltigung und seinen Verdacht informiert, Stichler sei auch in diesem Fall der Täter gewesen.
Die beiden Stichverletzungen, keine Rückstände von Schlamm oder Wasser in den Atemwegen, das stimmte nicht mit dem Obduktionsbefund Bergholt überein. Aber irgendwo lagen noch fünf, mit Mei Li Jau sogar sechs Frauen, von denen niemand mit Bestimmtheit sagen konnte, auf welche Weise sie zu Tode gekommen waren und ob ein Messer eine Rolle gespielt hatte.
Rohdecker wollte, wie versprochen, in Wiesbaden anrufen und alles mit Scheib durchsprechen. Doch in dem Moment kam Hartwig mit den Aussagen von zwei Arbeitskollegen aus der Werkstatt und zwei Diebstahlsanzeigen.
Am Freitagnachmittag war der Besitzerin des Mazda MX 5 in einem Münchner Parkhaus, kaum dass sie den Wagen abgestellt hatte, die Handtasche entrissen worden. Der Autoschlüssel war in der Tasche, daran dachte die Frau nicht, als sie zur nächsten Polizeiwache marschierte. Sie hatte nur Angst um ihre Kreditkarten, viel Bargeld hatte sie nicht dabei, gerade genug, um einmal voll zu tanken. Der Mazda schluckte eine Menge und war noch an einer Autobahntankstelle aufgefallen, Benzindiebstahl.
Diesen Tankstopp
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