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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sich nicht. Aber man entdeckte einen stark verwitterten Oberarmknochen zwischen Ammoniten und Trilobiten in Norberts Vitrine. Niemand konnte auf Anhieb sagen, ob der Knochen etliche Jahre im Waldboden oder einige hundert Jahre in einem Steinbruch gelegen hatte, wo Norbert ihn ausgebuddelt haben wollte. Der Knochen wurde ins gerichtsmedizinische Institut geschickt und weiter zu einem Forensiker, der auf solche Funde spezialisiert war.
    Nach der Bestattung von Barbara und Oliver Lohmann meldete sich auch endlich die junge Frau, die in der Werkstatt Kundenaufträge abwickelte. Sie schätzte Norbert als hilfsbereiten Kollegen, der nach Feierabend Steckdosen montierte, auch mal am Wochenende ein Schlafzimmer tapezierte oder bei einem Umzug half, ohne dass man ihn lange darum bitten musste. Sie belastete ihn äußerst ungern. Aber sie hatte Oliver ebenso gemocht und oft erlebt, wie leicht er zu beeinflussen war, speziell von Norbert. Und sie konnte Olivers letzten Anruf in der Werkstatt bezeugen, an dem Donnerstag, als Scheib in München gewesen war. Die Hälfte hatte sie mitgehört, auch Norberts Aufforderung: «Jetzt mach keinen Quatsch da unten, komm nach Hause. Hier gibt es auch noch was zu tun.»
    Carmen Rohdecker glaubte nun, Scheib habe sich in blindem Eifer auf den falschen Mann gestürzt. Doch der Geisterjäger gab sich uneinsichtig. Klinkhammer rief hin und wieder an und informierte ihn über den Stand der Dinge. Scheib war nicht mehr vom Dienst freigestellt. Das Ermittlungsverfahren gegen ihn war eingestellt worden, zu beweisen wäre ihm ohnehin nichts gewesen. Aber der Verdacht war geblieben. Und damit war er in Wagenbachs Mannschaft nicht mehr tragbar. Man hatte ihm seine Rückkehr in die zentrale Vermisstenstelle angeboten, dort hatte er ja immer gute Arbeit geleistet. Er wollte auch dorthin zurück – wenn er das Phantom aus dem Verkehr gezogen hatte. Ihm stand noch eine Menge Urlaub zu, den nahm er jetzt.
    In seinem Kämmerchen saß er immer noch, betrunken war er nicht mehr, obwohl ihm oft nach einem kräftigen Schluck war. Stunde um Stunde las er sich durch Karens Gedanken, ihr schlechtes Gewissen und ihre sexuellen Probleme in den ersten Jahren. Weil ihr Mann beim Küssen gerne ihren Nacken umfasste und sie sich dabei jedes Mal hinter ein paar Büsche geschoben fühlte. Und weil Marko bei der Liebe diese Position bevorzugte, die sie nicht ertrug, weil sie dabei immer mit dem Gesicht im Dreck lag. Klinkhammer war sofort darauf gekommen, wirklich fix für einen Taubenjäger, der Mann war auf seinem Posten deplatziert. Wenn er auf ihn gehört hätte – darüber wollte Scheib lieber nicht nachdenken.
    Er quälte sich durch Karens unerschütterlichen Glauben an die Liebe ihres Mannes und ellenlange theoretische Auseinandersetzungen mit ihrem Therapeuten, der offenbar versucht hatte, ihr die Augen zu öffnen, zumindest in Hinblick auf Markos Unfähigkeiten, echte Liebe zu empfinden. Manchmal tat es körperlich weh, dass eine intelligente junge Frau so blind sein konnte. Aber blind war vermutlich der falsche Ausdruck, ihr Blick war durch eine Schar wilder Enten getrübt.
    Mit Ausnahme der letzten fünfeinhalb Seiten und der Datei, die sie nach ihrem letzten Besuch in der Praxis Gerber mit dem frostkalten Januarabend gefüllt hatte, gab es wenig Konkretes. Trotzdem fand er in fast jeder Zeile Bestätigung, den hochintelligenten Serienmörder gefunden zu haben, der sich blendend darauf verstand, aller Welt etwas vorzugaukeln. Sie mochte eine sehr gute Schauspielerin sein, ihr Mann schlug sie um Längen.
    Marko, der liebevolle Vater, der seinem kleinen Sohn selbst erfundene Einschlafgeschichten erzählte wie das Märchen vom Baum, der nicht umziehen durfte, weil ein schönes Mädchen sich zum Schlafen zwischen seine Wurzeln gelegt hatte, das er nun vor den wilden Tieren des Waldes beschützen musste. Da dachte er sofort an Elisabeth Brandow, ihr Grab im Spessart und ein Rudel Wildschweine, das sie aus dem Dreck gescharrt hatte.
    Marko, der treusorgende Ehemann, der seine schwangere Frau mit in die Eifel nahm, als er nach dem Tod seiner Großtante das Haus für den Verkauf entrümpelte. Auf die Großtante, bei der Marko seine ersten drei Lebensjahre verbracht hatte, fehlte in den amtlichen Unterlagen jeder Hinweis. Anscheinend hatte sein Vater es für überflüssig gehalten, seinen Sohn umzumelden. Da die Tante – laut Karens Aufzeichnungen – vor vier Jahren verstorben und ihr Haus verkauft worden war,

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