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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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haben. Du bekommst den besten Arzt. In Warschau gibt es einen plastischen Chirurgen, der Wunder vollbringen kann.»
    Als sie zu weinen begann, ließ Marko erschrocken ihre Hand los und fragte, ob sie Schmerzen habe. Nein, nur den Kopf voller Bilder. Den holprigen Fußweg unter den Schuhsohlen, spärliche Grasbüschel und diese Tonne am Wegrand, eine große, rostige Blechtonne. Im Vorbeirennen holte sie aus und stieß die Tonne hinter sich in den Weg. Zum Glück war sie leer, es hatte sich nur ein wenig Regenwasser darin gesammelt.
    Ihr Verfolger hatte sie fast erreicht, und dann stolperte er. Sie hörte ihn fallen und fluchen, erreichte die Straße, den Ford Taunus. Sie hatte nicht abgeschlossen, der Schlüssel steckte im Zündschloss, aber fast hätte sie ihn nicht drehen können, so sehr zitterten ihr die Hände. Bleib stehen, Karen! Auch wenn sie sein Gesicht nicht gesehen hatte, sie war völlig sicher, kannte nur einen schlanken Mann mit dunklen Haaren, der sie beim Namen rufen konnte.
    «Nicht weinen, Schatz», bat Marko. «Du darfst dich nicht aufregen.» Um sie abzulenken und zu beruhigen, erzählte er von Kevin, der seine liebe Mami sehr vermisse.
    Am Samstagvormittag kam Marko zusammen mit Margo. Sie brachten Kevin mit, der jedoch bald unruhig wurde, sodass Margo schon nach einer Viertelstunde mit ihm zurückfuhr, um sie nicht zu überanstrengen.
    Marko blieb und erzählte, wie glücklich er nun sei und dass er in den vergangenen Wochen durch die Hölle gegangen wäre. Eingesperrt mit der entsetzlichen Befürchtung, sie nicht lebend wiederzusehen. Stunde um Stunde in Gedanken bei ihr, nur so habe er das überstehen können, diese furchtbaren Verdächtigungen und die eigene Ohnmacht.
    Er kam behutsam auf Oliver Lohmann zu sprechen. Und sie sah für einen flüchtigen Moment einen sympathischen jungen Mann, der Norbert eine Zange nach oben reichte und eine Mülltonne festhielt, damit Norbert nicht stürzte. Dann setzte bruchstückhaft die Erinnerung an den Samstagmorgen ein. Nichts gehört, plötzlich eine Hand im Haar, die ihren Kopf weit in den Nacken zog, das Messer am Hals, die heisere Stimme im Ohr, Todesangst und flüchtig die Frage, wie er hereingekommen war.
    «Nicht weinen, Schatz», bat Marko. «Es wird alles wieder gut.»
    Wie konnte es jemals wieder gut werden, nachdem sie Barbara Lohmanns Leiche gerochen hatte? Und noch schlimmer war, dass ein Telefon geklingelt hatte. «Norbert?», hatte Oliver Lohmann gefragt in einem Ton, als sei er nicht völlig sicher gewesen, mit wem er sprach. Aber dann hatte er gesagt: «Ja, sie ist bei mir. Keine Sorge, ich tu ihr nichts. Wir unterhalten uns nur über Barbara.» Dann war er still geworden, hatte nur noch zugehört, vielleicht fünf Minuten lang, es konnten auch acht oder neun Minuten vergangen sein, ehe er das Gespräch beendete. Und dann hatte er ihr doch etwas getan.
    Marko klingelte, weil sie sich aufbäumte, als spüre sie jeden Schlag und jeden Tritt noch einmal. Ein Arzt kam eilig herein und injizierte etwas in die Infusionsflasche, aus der es beständig in eine Vene ihres rechten Arms tröpfelte. Sie sank wieder in eine gnädige Welt. Doch am Nachmittag wachte sie wieder auf, und da wurde es unerträglich.
    Norbert saß an ihrem Bett, zusammen mit Jasmin. Er lächelte sie an, wie er immer gelächelt hatte. «Ich dachte, wir kommen erst mal allein», sagte er. «Damit es dir nicht zu viel wird. Sarah, Christa und Karlheinz kommen morgen. Sie bringen dir mit, was du brauchst, Nachthemden, Wäsche, du weißt schon.»
    Sie wusste alles und brauchte nur ihre Ruhe. Jasmin hatte die Buchstaben aus ihrem Scrabble-Spiel mitgebracht, kippte alle auf einen Stuhl und schob ihn ans Bett. «Guck mal, so kannst du mit uns reden.»
    Das konnte sie nicht, weil sie zwar mit den Fingerspitzen die Sitzfläche des Stuhls erreichte, aber die Buchstaben nicht sah. Sie wollte auch nicht reden. Worüber denn noch? Bleib stehen, Karen! Wie er da an ihrem Bett saß, wie vor zehn Jahren, als er sie darauf vorbereitete, dass gleich zwei Polizisten kämen, um ihr ein paar Fragen zu stellen.
    Er begann mit denselben Worten wie damals: «Irgendwann muss das ja mal sein. Ich hätte viel früher mit dir reden müssen, aber ich dachte», er winkte ab. «Ist ja egal, was ich dachte. Dass Marko ein paar Tage im Knast war, hat er dir bestimmt schon erzählt. Sie mussten ihn laufen lassen, weil die Beweise nicht reichten. In den nächsten Tagen wird die Polizei mit dir reden wollen. Sie

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