Das letzte Opfer (German Edition)
hellseherische Fähigkeiten», meinte Klinkhammer ironisch, «sonst hätte sie das Ding ja nicht schon vor seiner Geburt mit seinen Initialen gravieren lassen können.»
«Seine Mutter hieß Monika», sagte Carmen Rohdecker. «Sonst noch Fragen?»
Ihr Ton machte klar, es sei besser, jetzt den Kopf zu schütteln. Aber einen letzten Satz konnte sich Klinkhammer nicht verkneifen: «Du glaubst doch auch, dass es Schneiders Medaillon war.»
«Was ich glaube, interessiert keine Sau», erwiderte Carmen Rohdecker. «Was ich beweisen kann, zählt. Und beweisen kann ich einen Dreck. Also, tu dir und mir einen großen Gefallen, Arno, vergiss es. Oder willst du jetzt in Scheibs Fußstapfen treten?»
Das wollte er auf keinen Fall. Aber wie hätte er die Sache vergessen können? Er sah Karen doch immer noch im Bademantel in der Diele stehen, das unversehrte Gesicht und diesen Blick in ihren Augen. Sorgen Sie dafür, dass alles in Ordnung bleibt. Den Gefallen hatte er ihr nicht tun können, aber unter den gegebenen Umständen wäre dies auch das Letzte gewesen, was er gewollt hätte. Man konnte sie doch nicht mit einem neunfachen Mörder weiterleben lassen. Eine Augenzeugin, die nur noch einmal genau hinschauen müsste, um den nackten Mann im Teich zu erkennen.
Der Taubenjäger
In Köln kam niemand auf den Gedanken, sich einmal mit dem in der JVA Ossendorf einsitzenden Peter Kolbe über den Januar 1988 und den September 1990 zu unterhalten. Seine Mutter hatte man befragt. Sie wusste nichts von einem vergewaltigten jungen Mädchen und zwei Affären mit Mei Li Jau. Ihr Sohn hätte sich nie mit einer Ausländerin eingelassen, meinte sie, bestimmt nicht mit einer jungen. Er hatte immer ein Faible für reifere Damen gehabt, was seine Strafakten bestätigten. Insofern schien es Zeitverschwendung, sich mit Peter Kolbe zu beschäftigen. Arno Klinkhammer investierte die Zeit trotzdem. Er setzte niemanden in Kenntnis, wollte sich nicht lächerlich machen mit der älteren Frau und einem kleinen Hund namens Lilli.
Da nichts Aktuelles gegen Peter Kolbe vorlag, weswegen man ihn hätte vernehmen müssen, brauchte man seine Zustimmung für ein Gespräch. Aber er hatte nichts dagegen, einen Kriminalhauptkommissar aus dem Erftkreis zu empfangen, freute sich sogar – und strafte seine Mutter Lügen, als er hörte, es ginge um Li. Am Telefon fasste Klinkhammer sich kurz, sagte nicht mehr als unbedingt nötig.
Schon zwei Tage später traf er Kolbe, in der Hosentasche ein Diktiergerät, das er sich von seiner Frau geborgt hatte. Bei der Begrüßung verglich er das Gesicht unwillkürlich mit dem von Jasmin. Da gab es nun wirklich keine Ähnlichkeit. Die auffällig roten Haare trug Kolbe nun schulterlang, die ehemals sportliche Figur war ziemlich auseinander gegangen. Das Gesicht ebenso. Der Hellste war Kolbe nicht. Doch mit einfältigen Typen war Klinkhammer schon immer gut zurechtgekommen. Statt «guten Tag» sagte er einfach: «Schönen Gruß.»
Seine Rechnung ging auf. Kolbe bezog den Gruß auf das angekündigte Gesprächsthema und grinste geschmeichelt. «Hätt ich nie gedacht, dass Li sich noch mal hier blicken lässt. Wie geht’s ihr denn? Sieht sie immer noch so rassig aus wie damals?»
«Kann ich nicht beurteilen», behauptete Klinkhammer. «Ich habe sie ja früher nicht gekannt, Dierden hat mir nur ein Foto gezeigt.»
Bei der Erwähnung des Namens verdüsterte sich Kolbes Miene. «Mischt der etwa auch wieder mit? Warum hält der sich nicht an seine Alte?»
«Das tut er», versicherte Klinkhammer rasch. «Es geht nur um seine Schwester, Karen, ich weiß nicht, ob Ihnen der Name was sagt. Sie war damals mit Li befreundet und hatte einen Unfall.»
Da er nicht mit der Tür ins Haus fallen wollte, begann er mit dem Ende. Und das funktionierte besser als erwartet.
Kolbe nickte. «Hab ich von gehört, ist aber ewig her.»
«Es war am 14. September 1990», half Klinkhammer nach. «An dem Freitag, als Li aus Köln weg wollte. Karen Dierden war unterwegs, um sich mit ihr zu treffen.»
Kolbe runzelte verärgert die Stirn. «Hat das Biest mich etwa nur wegen Dierdens Schwester versetzt?»
«Ach, waren Sie an dem Freitag auch mit ihr verabredet?» Sein Erstaunen musste Klinkhammer nicht heucheln.
Kolbe grinste wieder, noch etwas breiter als zuvor. «Logisch. Drei Stunden Zeit hätte sie noch für mich, hat sie gesagt. Zum Abschied wollte sie mir ein Foto schenken, das keine Wünsche offen lässt, damit ich sie nicht vergesse. Ich hab den
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