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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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    «Mit Schreibarbeiten bist du doch unterfordert, Schatz», sagte Marko. Im Grunde hatte er Recht, aber sie war froh, dass sie sich sinnvoll beschäftigen konnte. Und sie beschränkte sich nicht darauf, für Margos Sekretärin Briefe nach Diktat zu tippen. Damit war sie immer sehr schnell fertig.
    In der übrigen Zeit verarbeitete sie ihre frühe Mutterschaft und den Tod des Radfahrers auf ihre Weise. Sie schrieb ihr Leben komplett um, tippte bittersüße Geschichten von Liebe und Leid, von Freundschaft und Schuld. Marko war viel unterwegs, er bekam nichts davon mit.
    Und Margo hatte nichts dagegen, sah in ihr einen Ersatz für die verlorenen Töchter und ließ ihr jede Freiheit. Auch sie hatte es nicht leicht gehabt. In jungen Jahren der Kampf ums Überleben in einem harten Job, dann die Schwangerschaft mit Rabea, die das Ende ihrer Karriere als Model bedeutete. Die ersten Versuche, sich mit einer kleinen Agentur selbständig zu machen, wobei sie Markos Vater kennen lernte. Die große Liebe war es nicht gewesen, nur eine Notgemeinschaft. Eine junge Frau mit einer kleinen Tochter, die sie kaum ernähren konnte. Und ein Mann, der seinen Sohn bei einer verschrobenen Großtante aufwachsen lassen musste, die seine Windeln nur im äußersten Notfall wechselte, weil sie keine Waschmaschine besaß. Und dann hatte die Tante die Windeln auf dem Küchenherd ausgekocht – in einem Sanitärreiniger, damit sie wieder richtig weiß wurden. Dass Marko die alte Frau immer noch regelmäßig besuchte, um zu sehen, ob es ihr gut ging oder sie irgendwas brauchte, verstand Margo nicht.
    «Armes, kleines Kerlchen», sagte Margo einmal. «Als ich ihn bekam, war sein ganzer Körper mit Ekzemen übersät. Sein Po war eine einzige, blutige Wunde. Er hatte noch nie einen Riegel Schokolade in der Hand gehalten, war völlig verschüchtert und verstört. Aber heute hört er das nicht mehr gerne.»
    «Ich werde es ihm nicht erzählen», antwortete Karen und tat das auch nie. Was Margo ihr erzählte, wenn sie abends alleine in der großen Wohnung saßen, war für sie ein Vertrauensbeweis. Und sie fand, dass sie Margo einiges schuldete für dieses Vertrauen und die Geduld.
    Margo übertrug ihr mehr und mehr Verantwortung. Kurz vor ihrem Einzug war es Margo gelungen, eines ihrer Mädchen in einer Fernsehserie unterzubringen, nur in einer winzigen Nebenrolle. Trotzdem war es ein großer Erfolg für die Agentur, der weitere Erfolge nach sich zog. Seitdem ging es nicht mehr nur um Werbeprospekte und kleine Versandhauskataloge.
    Das blieb zwar vorerst die Haupteinnahmequelle, doch daneben knüpfte Margo weitere Kontakte zu Produktionsfirmen für Film und Fernsehen, betreute nun auch ein paar Schauspielerinnen und Schauspieler, hauptsächlich für Werbung. Was wiederum zur Folge hatte, dass die Models, die schon bei ihr unter Vertrag waren, nicht so rasch zu größeren Agenturen mit prestigeträchtigeren Kunden wechseln wollten.
    Das war für Margo immer ein Problem gewesen. Die wirklich guten Leute blieben selten länger als ein oder zwei Jahre bei ihr, weil die kleinen Firmen, von denen sie ihre Aufträge bekam, keine teuren Locations zahlen wollten. Für große Kataloge flogen die Teams schon mal nach Barcelona oder Mallorca. Wenn Marko auf Außenaufnahmen bestand, musste er sich auf die nähere Umgebung beschränken.
    Zur Agentur gehörten zwei große Kellerräume, das Archiv. Darin stapelten sich die Kataloge, in denen Frauen und Männer abgebildet waren, die Margo kurzzeitig unter Vertrag gehabt hatte. Mit der Aussicht auf Film – und sei es nur für ein Waschmittel oder einen Haarfestiger – sah das anders aus. Nun wurden sogar Anzeigen geschaltet, um neue Talente zu finden. Bei viel versprechenden Bewerbungen fuhr Marko eigens los, um agenturtaugliche Aufnahmen zu machen.
    Die Vorauswahl zu treffen, wurde ab Juli 1994 zu Karens Aufgabe. Dass sie noch einmal auf einer Bühne stehen würde, glaubte sie nicht. Vor einer Kamera, das hatte sie nie gewollt, nicht als Model, nicht in einer Fernsehserie, schon gar nicht in einem Werbespot. Aber wenn andere davon träumten, konnte sie helfen, ein paar kleine Träume zu verwirklichen.
    Norbert kam oft am späten Nachmittag vorbei, wenn er in der Werkstatt Feierabend hatte. Die Agentur lag für ihn auf dem Heimweg. Meist saß sie noch vor einem Haufen Bewerbungsschreiben und Fotos, wenn er hereinkam. Er schaute ihr gerne bei der Arbeit zu, betrachtete die Fotos, die sie aussortierte, und wollte

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