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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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stieß ihn in die Seite. «Halt doch den Mund, du Idiot. Sieh mal, was du angerichtet hast.»
    Sogar Jasmin, die ihn normalerweise vergötterte, sagte: «Das war jetzt aber wirklich gemein, Norbert. Das arme Baby kann doch nichts dafür.» Dann wollte Jasmin von ihr wissen: «Bleibt das so, Karen? Das wäre aber ziemlich blöd. Wenn er mal zur Schule geht, lachen ihn bestimmt alle aus.»
    Natürlich blieb es nicht so. Als sie eine knappe Woche später mit Kevin nach Hause kam, hatte sich die Deformierung am Köpfchen schon weitgehend zurückgebildet. Marko hatte für die nächsten sechs Wochen sämtliche Termine abgesagt, fuhr nicht einmal zur Agentur. Er wechselte die Windeln und gab das Fläschchen, weil sie nicht genügend Milch hatte, um ihren Sohn zu stillen. Beim ersten Quengeln stand er neben der Wiege, auch dreimal in der Nacht. Nichts war ihm zu viel. Mindestens zehnmal am Tag sagte er: «Lass nur, Schatz, ich mache das schon. Komm du erst wieder richtig zu Kräften. Du hast sehr viel Blut verloren.» Ihm war im Geburtszimmer furchtbar übel geworden. Er konnte kein Blut sehen, hatte aber trotzdem neben ihr ausgehalten, bis der Arzt ihn aufforderte zu gehen.
    Er war ein wundervoller Vater und ein Ehemann, der keine Wünsche offen ließ. Christa erzählte den Nachbarn und der Kundschaft inzwischen bei jeder Gelegenheit: «Einen besseren Mann hätte unsere Karen gar nicht finden können. Marko ist so rührend mit dem Kleinen und liest ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Er tut für sie, was er nur kann.»
    Nach Kevins Geburt musste Marko eine Menge tun. Bis dahin waren es leichte und dankbare Rollen gewesen. Freundliche Nachbarin, liebende Ehefrau, für Christa schuldbewusste, für Karlheinz tüchtige Tochter, die ihr Leben wieder fest im Griff hatte. Für Norbert, Sarah und Margo dankbare Schwester, Schwägerin und Schwiegertochter. Aber Mutter, in dieser Rolle versagte sie kläglich.
    Sie hatte sich das so hübsch vorgestellt, aus den Erinnerungen an Jasmins erste Wochen und Monate geschöpft. Ein friedlich schlafender Säugling im Kinderwagen und sie an einem Tisch daneben mit Schularbeiten. Ein zufrieden rülpsendes Baby, das sie über Christas Schulter hinweg anlächelte. Nichts davon entsprach der Wirklichkeit.
    Kevin war ein unruhiges und anstrengendes Baby. Er quengelte und greinte, sobald er die Augen aufschlug. Wenn Marko sich über ihn beugte, war er sofort still, dann konnte er sogar lächeln. Bei ihr zogen sich seine Mundwinkel sofort wieder nach unten, als wolle er sagen: Geh weg. Sie dachte oft, er wüsste genau, dass sie einen Menschen getötet hatte. Vielleicht hatte er es gespürt in ihrem Leib. Auch wenn sie nicht daran dachte, die Schuld war doch immer in ihr. Und wer wollte schon eine Mörderin als Mutter?
    Aber als sie einmal so eine Andeutung machte, rastete Norbert völlig aus und brüllte sie an: «Verdammt nochmal, hör endlich auf damit! Es war ein Unfall! Warum geht das nicht rein in deinen Schädel? Ein Unfall und kein Mord. Ein Mord sieht ganz anders aus, das kannst du mir glauben.»

Sabine
    Als Karen im Oktober 1996 erfuhr, dass sie mit einem Sohn schwanger war, hatte Thomas Scheib, wie befürchtet, einen neuen Fall. Die Frau hieß Sabine Bergholt, von einigen wurde sie Lady genannt, obwohl sie mit einer Lady nur das Äußere gemein hatte. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt und als Hostess für eine so genannte Begleitagentur tätig. Im Durchschnitt wurde sie fünfmal pro Woche vermittelt. Das reichte ihr nicht. Ihr Lebensstil war relativ aufwendig. Seit geraumer Zeit offerierte sie deshalb ohne Wissen der Begleitagentur ihre Dienste in diversen Tageszeitungen im Großraum Frankfurt und vereinbarte Termine auf eigene Rechnung. Nur eine Freundin war eingeweiht und warnte mehrfach vor den Risiken.
    Sabine Bergholt sah zu Anfang keine Gefahr für sich. Ihre Wohnung und ihr Auto, wo sie mit einem Mann allein gewesen wäre, waren tabu. Sie traf ihre Privatkunden in Mittelklassehotels. Aber einmal war es ein Mittelklassewagen, gegen jede Vereinbarung. Der Kunde bot fünfhundert Mark. Angeblich wollte er mit ihr zu einer kleinen, verschwiegenen Pension. Er könne es sich nicht leisten, mit ihr von Kollegen im Hotel gesehen zu werden, erklärte er. Dann steuerte er einen gottverlassenen Waldweg an, meinte plötzlich, das Geld für ein Pensionszimmer könne man sich sparen. Im Auto hätte es doch etwas von der verlorenen Jugend.
    Minutenlang stand Sabine Bergholt Todesängste aus. Dann

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