Das letzte Opfer (German Edition)
entpuppte sich der Kunde scheinbar als nostalgischer Träumer mit der Sehnsucht nach einer verbotenen Liebe. Er offerierte einen Hunderter mehr für eine ausgiebige Knutscherei im Dunkeln und bat, sie möge sich dabei benehmen wie seine Schwester, hin und her gerissen zwischen Begehren und dem Wissen, dass es nicht erlaubt sei. Danach gab er sich mit Petting zufrieden, weil das besser zum Rollenspiel passte.
Nach dem Abstecher ins Grüne sprach Sabine Bergholt mit ihrer Freundin über den Kunden, von dem sie sich zuerst in eine Falle gelockt und dann großzügig entlohnt gefühlt hatte. Einen Namen oder ein Autokennzeichen nannte sie nicht, gab auch keine Beschreibung des Mannes ab. Sie hatte ja Glück gehabt und versprach hoch und heilig, keine Geschäfte mehr auf eigene Rechnung zu machen, jedenfalls nicht mit völlig Unbekannten.
Ob sie den Kunden mit einer Vorliebe für einsame Waldwege und einem ganz speziellen Wunsch noch einmal getroffen hatte, ließ sich nicht in Erfahrung bringen. Sie führte nicht Buch über privat vereinbarte Termine. Von der Begleitagentur war sie für den Abend des 14. September 1996 nicht vermittelt worden.
Kurz vor neunzehn Uhr an diesem Abend sah ein Hotelangestellter in Hofheim-Diedenbergen eine Frau die Lobby betreten, die er später zweifelsfrei als Sabine Bergholt identifizierte.
Sie trug ein hellgraues Kostüm mit knielangem Rock, dezenten, aber sehr teuren Schmuck, hatte eine Aktenmappe bei sich, als käme sie zu einer geschäftlichen Besprechung. Der Angestellte wollte sich erkundigen, ob sie auf einen Hotelgast wartete, wurde jedoch durch eintreffende Gäste abgelenkt. Während er Zimmerschlüssel aushändigte, sah er Sabine Bergholt die Lobby wieder verlassen, zusammen mit einem Mann, den er nur flüchtig und von hinten sah. Die Beschreibung war entsprechend dürftig: Mittelgroß, schlank, dunkelhaarig, bekleidet mit einem dunkelblauen Mantel. Er meinte, der Mann sei Sekunden vorher von draußen hereingekommen, und war sicher, dass es sich nicht um einen Hotelgast handelte.
Für zweiundzwanzig Uhr war Sabine Bergholt noch mit ihrer Freundin verabredet gewesen. Doch die wartete vergebens. Eins war somit sicher: Am 14. September 1996 war Sabine Bergholt ihrem Mörder begegnet. Und in ihrem Fall gab es bald eine Leiche.
Die sterblichen Überreste der Lady wurden Mitte Oktober im Spessart entdeckt, etwa fünfzig Meter von einem Wirtschaftsweg entfernt, in einem Gebiet, in das sich normalerweise keine Spaziergänger verirrten, nur eine an Alzheimer erkrankte Frau, nach der ein Großaufgebot Polizei mit Hunden suchte. Auf einer kleinen Lichtung schlug einer der Hunde an. Zu sehen war nichts. Man kontrollierte die Stelle nur, weil der Hund nicht davon ablassen wollte. Bei der Gelegenheit wurden viele möglicherweise vorhandene Spuren vernichtet oder unbrauchbar gemacht.
Aber es gab trotzdem etwas, worin Thomas Scheib einen weiteren Beweis für Kirbys Theorien sah. Ein Drahtgeflecht, auf dem Soden von Gras und Unkraut befestigt waren, lag unter der Leiche am Boden der nicht übermäßig tiefen Grube. Das Grab war vorbereitet und wie eine Fallgrube getarnt worden. Wie lange vor dem 14. September die Grube ausgehoben worden war, ließ sich nicht exakt bestimmen, etwa acht Wochen, schätzte eine botanische Sachverständige.
Auch der Zeitpunkt des Todes war aus rechtsmedizinischer Sicht nicht auf den Tag genau festzulegen. Sicher war nur: Der Mörder hatte Sabine Bergholt nicht über einen längeren Zeitraum in seiner Gewalt gehabt. Er musste sie schnell getötet haben, wahrscheinlich noch am selben Abend. Dass der Tatort in der Komfortzone lag, war damit auszuschließen, aber davon war Kirby ja auch nicht lange ausgegangen.
Die Leiche war unbekleidet und grausam entstellt, das Gesicht durch Gewalteinwirkung völlig unkenntlich gemacht, der Körper von Stockschlägen und Fußtritten gezeichnet. Die Schläge waren mit einem armdicken Ast ausgeführt worden, der ebenfalls am Boden der Grube lag. Um den Hals war ein schmaler, grauer Ledergürtel gezurrt. Mit Ausnahme des Gürtels, den Sabine Bergholts Freundin wieder erkannte, fand sich von der Bekleidung nichts, auch keine Handtasche oder Schmuck. Die Umgebung des Fundorts wurde in weitem Umkreis tagelang gründlich abgesucht – ohne Ergebnis.
Auch der Tatort konnte nicht genau bestimmt werden. Man nahm jedoch an, dass er nicht weit von der Fundstelle entfernt lag. Bei der Obduktion wurden in Nase, Mundhöhle und Bronchien
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