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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Aber bis dahin waren es noch zwei Jahre.

Kevin
    Es waren zwei schlimme Jahre für Karen. Als Marko sechs Wochen nach der Geburt ihres Sohnes wieder zu arbeiten begann, rief sie ihn mindestens dreimal am Tag an, weil sie das Geschrei nicht mehr ertrug und nicht wusste, was sie machen sollte. Sich mal für eine Stunde an den Computer zu setzen, war unmöglich. Sie konnte nicht mal für eine halbe Stunde an den Teich flüchten, um sich zu beruhigen.
    Vom Wohnzimmer aus sah sie nur die Enten, das half nicht, im Gegenteil, es machte sie völlig konfus. Sie musste so dicht heran, dass sich ihr Gesicht im Wasser spiegelte. Und draußen machte Kevin die gesamte Nachbarschaft rebellisch.
    Wenn sie alleine hinausging, stand ihre Nachbarin Sekunden später am Gartenzaun und sagte: «Du darfst ihn nicht so schreien lassen, Karen, er bekommt einen Leistenbruch. Er schreit auch bestimmt nicht ohne Grund, das tun Kinder nie. Geh doch mal mit ihm zum Arzt.»
    Da traute sie sich alleine nicht hin. Kevin vertrug keine Windeln, bekam davon einen hartnäckigen Hautausschlag. Der Arzt schaute sie jedes Mal so komisch an und stellte unangenehme Fragen. Ob sie ihren Sohn nicht regelmäßig bade oder keine Wundschutzcreme benutze. Natürlich benutzte sie eine Creme, manchmal, wenn Marko ausdrücklich darauf bestand. Sie hatte immer das Gefühl, es wurde besser ohne Creme. Christa sagte auch jedes Mal: «Da muss frische Luft ran.»
    Deshalb wickelte sie ihn gar nicht, legte ihn nur auf Mulltücher, die sie sofort auswechselte, wenn sie nass waren. Das waren sie eigentlich immer. Und es war natürlich nicht möglich, ein halb nacktes Baby durch den Ort zu schieben und Besorgungen oder einen Besuch bei der Familie zu machen.
    Aber sie badete Kevin, versuchte es jedenfalls einige Male, obwohl er wie am Spieß brüllte und sich in ihren Händen wand wie ein glitschiger Aal. Nachdem er ihr einmal entglitten, mit dem Köpfchen unter Wasser geraten war und sich anschließend fast die Lungen aus dem Leib geschrien hatte, wusch sie ihn nur noch auf dem Wickeltisch und überließ das Baden lieber Marko.
    Nach Möglichkeit überließ sie ihm auch die Besuche beim Kinderarzt. Marko konnte den Hautausschlag erklären. Er hatte das als Kind ja auch gehabt, eine sehr empfindliche Haut, die allergisch auf Urin reagierte – und auf den Sanitärreiniger, mit dem seine Großtante die Windeln ausgekocht hatte. Aber das sagte er dem Kinderarzt natürlich nicht.
    Wenn Marko in Köln zu tun hatte und sie ihn anrief, weil sie sich nicht mehr zu helfen wusste, kam er nach Hause, sofern sich das irgendwie einrichten ließ. Leider tat es das nur selten. Margo hatte ihre Hoffnungen auf sie endgültig begraben und bestand nun darauf, dass er sich in die Geschäftsführung einarbeitete und sie entlastete. Es mussten Gagen ausgehandelt, Vertragsklauseln durchschaut, Models motiviert und betreut, ihren Talenten entsprechend ausgewählt und ge- oder vertröstet werden. Da waren Fingerspitzengefühl ebenso wie eisenharte Ellbogen gefragt, vor allem im Filmgeschäft.
    Marko klagte oft, dass sein Tag vierzig Stunden haben müsste. Seine Zeit reichte hinten und vorne nicht. Er hätte entschieden lieber ihr zur Seite gestanden und seinen Sohn umsorgt als irgendeine Filmzicke zum Essen ausgeführt. Die Frauen im Produktionsbereich überließ Margo grundsätzlich ihm, setzte auf seinen Charme und vergaß dabei manchmal, dass er eine Familie hatte, die ihn dringend brauchte.
    Norbert schlug vor, Karen solle sich erneut in einer Fahrschule anmelden. Ihre Sperrfrist war längst abgelaufen. Wenn sie den Führerschein und ein eigenes Auto hätte, könnte sie mal mit dem Baby nach Köln fahren, vielleicht stundenweise in der Agentur aushelfen. Norbert war überzeugt, Kevin wäre nur so unruhig, weil ihre Nerven blank lagen.
    «Du musst unter Leute, Karen», sagte er. «Immer nur das Haus, der Garten, unsere dummen Gesichter und ein brüllendes Kind, da würde ich auch verrückt. Es hat dir doch Spaß gemacht, in der Agentur zu arbeiten. Margo freut sich bestimmt. Wenn Marko Einwände erhebt, rede ich mal mit ihm.»
    Marko hielt sich mit Einwänden zurück, meinte nur, sie sei einer Dreifachbelastung nicht gewachsen. Haushalt, Kind und Job, da müsse zwangsläufig einiges zu kurz kommen. Und Margos Ehe mit seinem Vater sei letztlich daran gescheitert, dass sie keine Zeit gehabt hatte für ihre Familie. Aber den Führerschein hielt er für eine gute Idee, und ein eigenes Auto, mit dem

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