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Das letzte Opfer (German Edition)

Das letzte Opfer (German Edition)

Titel: Das letzte Opfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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abgenommen, einen römischen Soldaten auch nicht. Aber ein italienischer Austauschschüler erfüllte denselben Zweck. Seitdem dachte sie, sie sei vielleicht wirklich zu ihrer Tochter gekommen wie Maria zu Jesus.
    Li hatte sie bewundert für ihre Vorstellungskraft, aus einer Vergewaltigung eine unbefleckte Empfängnis zu machen. Li hatte auch verstanden, wie ihr zumute war, weil sie etwas Ähnliches erlebt hatte – mit demselben Mann. «Es stand ihm nicht auf der Stirn geschrieben, dass er mal wie ein Tier über ein fünfzehnjähriges Mädchen hergefallen ist», hatte Li an dem Vormittag gesagt, als sie zu zweit unter einem Schirm durch den Regen liefen.
    «Und so hat er es mir auch nicht erzählt. Er protzte, es hätte dir Spaß gemacht, du hättest gar nicht genug von ihm bekommen können, ihm zur Erinnerung an das unvergleichliche Erlebnis sogar dein Höschen geschenkt. Ich dachte, er will sich nur aufspielen, bis er über mich herfiel. Weißt du, was ich mir vorgestellt habe? Ich wäre eine Spinne. Viele Spinnenweibchen saugen die Männchen nach der Begattung aus. Und speziell darauf sind die Kerle alle scharf. Dieser Scheißkerl konnte gar nicht genug davon bekommen.»
     
    All das war lange her, als aus ihr und Marko ein Paar geworden war. Doch trotzdem bekam sie ihre Abwehrreaktionen einfach nicht unter Kontrolle, wenn er zärtlich werden wollte. Oft hatte sie Angst, er könne sie deswegen wieder nach Hause schicken. Er hatte so viel mit anderen Frauen zu tun, unkomplizierten Frauen, die keine Hemmungen kannten, Liebe in allen Positionen machten, auch einmal ohne Scheu die Initiative ergriffen. In der Agentur gaben solche Frauen sich die Türklinke in die Hand.
    Ein paar Mal spielte sie mit dem Gedanken, ihm zu erklären, was ihr zugestoßen war. Sie tat es nicht, aus Furcht, er könne ihre Tochter ablehnen. Er hatte ohnehin ein zwiespältiges Verhältnis zu Jasmin, weil sie nicht von ihm adoptiert werden wollte. Jasmin konnte doch nichts dafür.
    Doch es war gar nicht nötig, ihm etwas zu erklären, weil er immer Verständnis hatte. Solange sie bei Margo gelebt hatten, waren sie stets gemeinsam in sein Zimmer gegangen, damit Margo nicht stutzig wurde. Ein paar Mal hatte er auch versucht, mit ihr zu schlafen. Aber wenn sie die Luft anhielt, nur noch dalag wie ein Brett, sagte er regelmäßig: «Schon gut, Schatz, ich kann warten. Es ist kein Problem, wirklich nicht. Ich bin ja selber schuld, nicht wahr? Ich hätte ja etwas freundlicher sein können zu Anfang.» Dann war er durch die Verbindungstür in Rabeas Zimmer gegangen und hatte die Nacht dort verbracht.
    Nach der Hochzeit wurde es nicht einfacher. Manchmal stellte sie sich vor, auf der Bühne zu sein oder mit Johannes Franken in der Diskothek. Und dann kam so ein verregneter Nachmittag, ein gutes Jahr nach ihrem Einzug in das Haus am Amselweg. Hinaus in den Garten konnte sie nicht, nach Köln fahren lohnte nicht, Marko hatte in der Agentur zu tun und sah es nicht gerne, wenn sie sich dort nützlich machen wollte. Ihre Familie zu besuchen, dazu fehlte ihr die Lust, weil Jasmin den Nachmittag bei einer Freundin verbrachte.
    Sie schaute sich eine Fernsehsendung an, einen Bericht über die Behandlung psychischer Störungen, bei dem sie unwillkürlich an Li denken musste. Es ging um eine Spinnenphobie. Zuerst wurden der Patientin Fotos von Spinnen gezeigt, so lange, bis sie das Papier berühren konnte. Dann ging man zu lebenden Tieren in Glaskästen über. Und irgendwann war die Frau soweit, eine Spinne eigenhändig aus dem Kasten zu nehmen und auf ihren Handrücken zu setzen.
    Natürlich war Marko mit seinem Bedürfnis nach Liebe und Zärtlichkeit nicht vergleichbar mit einer Spinne. Aber irgendwie half ihr der Bericht. In Erinnerung an das, was Li gesagt hatte. Und Marko verblüffte es, als sie zum ersten Mal die Initiative ergriff. «Das musst du nicht tun, Schatz», sagte er.
    «Ich will aber», antwortete sie und machte weiter, machte sich vertraut damit und stellte fest, dass ein Mann ebenso verletzbar war wie eine Frau.
    Und nun war sie endlich schwanger. Im Oktober stand unwiderruflich fest, dass sie diesmal einen Sohn bekommen würde. Marko war außer sich vor Freude, er hatte sich so sehr ein eigenes Kind gewünscht und machte ihr teure Geschenke. Ein Paar Ohrstecker aus Platin mit einem dazu passenden Ring, der ihr allerdings zu weit war. Sie mussten ihn beim Juwelier enger machen lassen, danach war er zu eng. Sie konnte ihn nie tragen, aber die

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