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Das Letzte Plädoyer: Roman

Das Letzte Plädoyer: Roman

Titel: Das Letzte Plädoyer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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Mortimers Sucht nur noch. Vor dem Geburtstagsfest war er unter den Dealern als Wochenendjunkie bekannt gewesen, aber als die Verhandlung immer näher rückte, brauchte er zwei Schuss pro Tag – jeden Tag.
    »Denk nicht mal daran, dir einen Schuss zu setzen, bevor du in den Zeugenstand gehst«, hatte Spencer ihn ermahnt. Aber wie konnte Spencer auch nur im Ansatz verstehen, was er durchmachte, wo er doch selbst nie diese Sucht gekannt hatte: ein paar Stunden der Seligkeit, bis die Wirkung langsam nachließ, gefolgt von Schweißausbrüchen und dann dem Zittern und schließlich das Ritual der Vorbereitung, damit er diese Welt rasch wieder hinter sich lassen konnte – das Einführen der Nadel in eine frische Vene, wie die Flüssigkeit ihren Weg in den Blutstrom fand, wie sie rasch Kontakt zum Gehirn herstellte und dann endlich das überirdische Loslassen, bis der Kreislauf von neuem begann. Mortimer schwitzte bereits. Wie lange noch, bevor das Zittern einsetzte? Hoffentlich wurde er gleich als Nächster aufgerufen. Eine Welle aus Adrenalin schoss durch seine Adern.
    Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich, und der Gerichtsdiener erschien. Mortimer sprang erwartungsvoll auf. Er grub die Fingernägel in die Handflächen, fest entschlossen, seiner Pflicht nachzukommen.
    »Reginald Taylor!«, rief der Gerichtsdiener und ignorierte den großen, hageren Mann, der aufgesprungen war.
    Der Barkeeper des Dunlop Arms folgte dem Gerichtsdiener in den Saal. Noch ein Mann, mit dem Mortimer in den letzten sechs Monaten nicht gesprochen hatte.
    »Überlass ihn mir«, hatte Spencer gesagt, der sich schon damals in Cambridge all der kleinen Probleme von Mortimer angenommen hatte.
    Mortimer sank wieder auf die Bank und packte die Lehne mit festem Griff, als er spürte, wie das Zittern kam. Er war nicht sicher, wie lange er es noch aushalten würde – die Angst vor Spencer Craig wurde rasch von dem Bedürfnis verdrängt, die Sucht zu befriedigen. Als der Barkeeper wieder aus dem Gerichtssaal trat, waren Mortimers Hemd, Hose und Socken schweißgetränkt, obwohl es ein kalter Märzmorgen war.
Reiß dich zusammen
, hörte er Spencer sagen, auch wenn der eine Meile weit weg in seiner Kanzlei saß und wahrscheinlich gerade mit Lawrence darüber sprach, wie gut bislang alles gelaufen war. Sie würden dort auf ihn warten. Er war das letzte Teil im Puzzle.
    Mortimer stand auf und tigerte den Flur auf und ab, während er darauf wartete, dass der Gerichtsdiener wieder erschien. Er sah auf seine Uhr und betete, dass noch genug Zeit für einen weiteren Zeugen vor der Mittagspause war. Als der Gerichtsdiener wieder auf den Gang hinaustrat, lächelte Mortimer hoffnungsvoll.
    »Detective Sergeant Fuller!«, rief der Gerichtsdiener. Mortimer sackte auf der Bank zusammen.
    Mittlerweile zitterte er unkontrollierbar. Er brauchte seinen nächsten Schuss, wie ein Baby die Milch aus der Brust seiner Mutter brauchte. Er stand auf und schwankte unsicher zur nächsten Toilette. Zu seiner großen Erleichterung war der weiß geflieste Raum leer. Er entschied sich für die Kabine am anderen Ende und schloss sich ein. Es beunruhigte ihn, dass sie oben und unten offen war: jeder Gerichtsbedienstete könnte mühelos herausfinden, dass Mortimer das Gesetz brach – mitten im Hauptgerichtsgebäude. Aber seine Sucht hatte einen Punkt erreicht, wo der gesunde Menschenverstand rasch von der Notwendigkeit ersetzt wurde, wie groß auch immer das Risiko sein mochte.
    Mortimer knöpfte seine Jacke auf und zog einen kleinen Stoffbeutel aus einer Innentasche: das Besteck. Er schlug den Beutel auf und legte ihn auf den Deckel der Kloschüssel. Ein Teil der Erregung war immer die Vorbereitung. Er nahm die kleine 1-mg-Phiole mit Flüssigkeit, die 250 Pfund kostete. Es war durchscheinender Stoff von höchster Qualität. Mortimer fragte sich, wie lange er sich dieses teure Hobby noch würde leisten können, bevor das kleine Erbe, das ihm sein Vater hinterlassen hatte, aufgebraucht sein würde. Er tauchte die Spritze in die Phiole und zog sie auf, bis die Plastikröhre voll war. Er prüfte nicht, ob die Flüssigkeit frei floss, weil er es sich nicht leisten konnte, auch nur einen einzigen Tropfen zu verschwenden.
    Mortimer hielt abrupt inne, Schweiß rann ihm über die Stirn, als er hörte, wie die Eingangstür zur Herrentoilette geöffnet wurde. Er rührte sich nicht, wartete, bis der Fremde das Ritual vollendet hatte, für das die Toilette ursprünglich gedacht war.
    Sobald er

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