Das Letzte Plädoyer: Roman
Papagei wiederholt, dass er seiner Arbeit nachgegangen sei und nichts gehört oder gesehen habe.
Redmayne akzeptierte die Tatsache, dass er die Rüstung der vier Musketiere nur bei Toby Mortimer ankratzen konnte. Redmayne wusste alles über die Drogensucht des Mannes, auch wenn er nicht die Absicht hatte, das vor Gericht anzusprechen. Er wusste, dass Mortimer während des Kreuzverhörs an nichts anderes würde denken können. Redmayne hatte das Gefühl, dass Mortimer der einzige Zeuge der Krone war, der unter Druck nachgeben würde, darum freute es ihn, dass Mortimer den ganzen Tag lang im Flur warten musste.
»Ich glaube, wir haben gerade noch Zeit für einen Zeugen«, verkündete Richter Sackville und sah auf seine Uhr.
Mr. Pearson schien nicht sehr begeistert, den letzten Zeugen der Krone aufrufen zu müssen. Nachdem er den ausführlichen Polizeibericht gelesen hatte, hatte er sogar überlegt, Toby Mortimer überhaupt nicht in den Zeugenstand zu bitten, aber ihm war klar, dass Redmayne misstrauisch werden und dann womöglich seinerseits Mortimer vorladen würde. Bedächtig erhob sich Pearson von seinem Platz. »Ich rufe Mr. Toby Mortimer«, sagte er zögernd.
Der Gerichtsdiener trat in den Flur und rief: »Toby Mortimer!« Zu seiner Überraschung saß der Mann nicht mehr auf seinem Platz. Der Gerichtsdiener sah sich auf den Bänken um, aber der Mann war nirgends zu sehen. Er rief den Namen ein zweites Mal auf, dieses Mal noch lauter, aber immer noch keine Antwort.
Eine schwangere junge Frau ganz vorn sah auf, unsicher, ob sie den Gerichtsdiener ansprechen durfte. Der Gerichtsdiener sah sie an. »Haben Sie Mr. Mortimer gesehen, Madam?«, fragte er mit gedämpfter Stimme.
»Ja«, erwiderte sie. »Er ist vor einer Weile aufs Klo gegangen und noch nicht wiedergekommen.«
»Danke, Madam.« Der Gerichtsdiener begab sich wieder in den Gerichtssaal. Rasch ging er zum beisitzenden Richter, der ihm sorgfältig zuhörte, bevor er den vorsitzenden Richter informierte.
»Wir geben ihm noch ein paar Minuten«, meinte Richter Sackville.
Redmayne sah zur Uhr, wurde mit jeder Minute, die verstrich, unruhiger. Es dauerte nicht so lange, die Toilette aufzusuchen, außer … Pearson beugte sich vor, lächelte und meinte hilfreich: »Vielleicht sollten wir diesen Zeugen als Ersten morgen früh einberufen?«
»Nein, danke, ich warte gern«, erwiderte Redmayne mit fester Stimme. Er ging noch einmal seine Fragen durch, unterstrich wichtige Worte, damit er nicht ständig auf seine Notizen schauen musste. Er sah in dem Moment auf, als der Gerichtsdiener erneut in den Saal gelaufen kam.
Der Gerichtsdiener eilte quer durch den Saal und flüsterte dem beisitzenden Richter etwas ins Ohr, der die Information an den vorsitzenden Richter weitergab. Richter Sackville nickte. »Mr. Pearson«, sagte er. Der Staatsanwalt erhob sich. »Es hat den Anschein, dass Ihr letzter Zeuge unpässlich ist und sich derzeit auf dem Weg ins Krankenhaus befindet.« Er erwähnte nicht, dass ihm dabei eine Spritze aus einer Vene seines linken Beines ragte. »Ich werde den heutigen Verhandlungstag daher beenden. Ich möchte beide Anwälte sofort in meinem Büro sprechen.«
Alex Redmayne musste sich nicht erst in die richterlichen Büroräume begeben, um zu wissen, dass seine Trumpfkarte aus dem Spiel entfernt worden war. Als er die Akte mit der Aufschrift ZEUGEN DER ANKLAGE zuklappte, fand er sich damit ab, dass sich das Schicksal von Danny Cartwright nun in den Händen seiner Verlobten Beth Wilson befand. Und er war sich immer noch nicht sicher, ob sie die Wahrheit sagte.
8
Die erste Verhandlungswoche war vorüber und die vier wichtigsten Protagonisten verlebten das Wochenende auf höchst unterschiedliche Weise.
Alex Redmayne fuhr nach Somerset, um ein paar Tage mit seinen Eltern in Bath zu verbringen. Sein Vater fragte ihn nach der Verhandlung, noch bevor er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, während seine Mutter mehr daran interessiert schien, alles über seine neueste Freundin herauszufinden.
»Es besteht Hoffnung«, antwortete er beiden Elternteilen auf ihre Fragen.
Als Alex am Sonntagnachmittag zurück nach London fuhr, hatte er die Fragen geprobt, die er Beth Wilson am folgenden Tag stellen wollte. Sein Vater hatte die Rolle des Richters übernommen. Keine schwere Aufgabe für den alten Mann. Schließlich war das genau der Job, dem er unter der Woche nachging. Am Montag würden sie beide wieder in Old Bailey in Erscheinung treten,
Weitere Kostenlose Bücher