Das Letzte Plädoyer: Roman
hörte, dass die Tür wieder geöffnet und geschlossen wurde, nahm er seine alte Schulkrawatte ab, zog ein Hosenbein hoch und suchte nach einer Vene: eine Aufgabe, die sich von Tag zu Tag schwieriger gestaltete. Er wickelte die Krawatte um sein linkes Bein und zog sie immer fester zusammen, bis zu guter Letzt eine blaue Vene hervortrat. Mit einer Hand hielt er die Krawatte fest, mit der anderen die Spritze. Dann stieß er die Nadel in die Vene und drückte die Flüssigkeit langsam aus der Spritze, bis auch der letzte Tropfen in seinen Blutstrom gelangt war. Mortimer atmete erleichtert auf, während er in eine andere Welt hinüberglitt – eine Welt, in der es keinen Spencer Craig gab.
»Ich bin nicht bereit, noch länger über dieses Thema zu reden«, erklärte Beths Vater und setzte sich zu Tisch. Mrs. Wilson stellte ihm einen Teller mit Eiern und Schinken hin. Das gleiche Frühstück, das sie seit dem Tag ihrer Eheschließung immer für ihn gemacht hatte.
»Aber Dad, du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass Danny Bernie umgebracht hat. Sie waren die besten Freunde, seit ihrem ersten Tag in Clem Attlee.«
»Ich habe erlebt, wie Danny ausgerastet ist.«
»Wann denn?«, verlangte Beth zu wissen.
»Im Boxring. Gegen Bernie.«
»Aus diesem Grund hat Bernie ihn auch immer besiegt.«
»Vielleicht hat Danny dieses Mal gewonnen, weil er ein Messer zur Hand hatte.« Beth war von der Anschuldigung ihres Vaters so benommen, dass sie nichts erwiderte.
»Und hast du vergessen, was sich vor einigen Jahren auf dem Spielplatz ereignet hat?«, fuhr er fort.
»Nein, habe ich nicht«, sagte Beth. »Aber damals hat Danny Bernie gerettet.«
»Als der Direktor kam, fand er ein Messer in seiner Hand.«
»Hast
du
vergessen«, warf Beths Mutter ein, »dass Bernie Dannys Geschichte bestätigt hat, als er später vom Direktor befragt wurde?«
»Und jetzt fand sich wieder ein Messer in Dannys Hand, als die Polizei auftauchte. Was für ein Zufall.«
»Ich habe dir doch schon hundert Mal gesagt …«
»… dass ein völlig Fremder deinen Bruder erstochen hat.«
»Ja, genau«, sagte Beth.
»Und Danny hat ihn nicht provoziert oder ihn angestachelt?«
»Nein!« Beth versuchte, ruhig zu bleiben.
»Ich glaube ihr«, sagte Mrs. Wilson und schenkte ihrer Tochter Kaffee ein.
»Das tust du ja immer.«
»Aus gutem Grund«, erwiderte Mrs. Wilson. »Ich habe noch nie erlebt, dass Beth gelogen hätte.«
Mr. Wilson schwieg, sein Essen blieb unberührt und wurde kalt. »Erwartest du immer noch, dass ich alle anderen für Lügner halten soll?«, sagte er schließlich.
»Ja, das erwarte ich«, sagte Beth. »Du scheinst zu vergessen, dass ich dort war, ich
weiß
also, dass Danny unschuldig ist.«
»Es steht vier gegen einen«, sagte Mr. Wilson.
»Dad, wir sprechen hier nicht über ein Hunderennen. Es geht um Dannys Leben.«
»Nein, wir sprechen hier vom Leben meines Sohnes«, sagte Mr. Wilson.
»Er ist auch mein Sohn, falls du das vergessen haben solltest«, erklärte Beths Mutter.
»Und du hast wohl auch vergessen, wie sehr du mich gedrängt hast, Danny zu heiraten«, sagte Beth. »Du hast ihn sogar gebeten, die Werkstatt zu übernehmen, wenn du in Ruhestand gehst. Warum hast du plötzlich aufgehört, an Danny zu glauben?«
»Es gibt da etwas, das ich dir noch nicht gesagt habe«, meinte Beths Vater. Mrs. Wilson senkte den Kopf. »Als Danny an jenem Morgen zu mir kam und mich um deine Hand bat, da fand ich es nur fair, ihm mitzuteilen, dass ich meine Meinung geändert hatte.«
»Worüber hattest du deine Meinung geändert?«, fragte Beth.
»Darüber, wer die Werkstatt übernehmen sollte.«
7
»Keine weiteren Fragen, Euer Lordschaft«, sagte Alex Redmayne.
Der Richter dankte Detective Sergeant Fuller und teilte ihm mit, es stehe ihm nun frei, das Gericht zu verlassen.
Es war kein guter Tag für Alex gewesen. Lawrence Davenport hatte die Geschworenen mit seinem Charme und seinem guten Aussehen hypnotisiert. Detective Sergeant Fuller wirkte wie ein anständiger, gewissenhafter Polizeibeamter, der schnörkellos aussagte, was er in der fraglichen Nacht gesehen hatte, und die einzige Interpretation lieferte, die er dafür hatte. Als Pearson ihn fragte, wie lange es von dem Moment, als Craig den Notruf getätigt hatte, bis zu dem Augenblick, als Fuller die Kneipe betrat, gedauert hatte, sagte der Beamte, er sei sich nicht sicher, aber er schätze, es seien ungefähr 15 Minuten gewesen.
Der Barkeeper Reg Taylor hatte wie ein
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