Das Letzte Plädoyer: Roman
er, wenn sein Vater die rechte Hand ausstreckte, wie ein olympischer Staffelläufer umgehend den Stab weiterreichen konnte.
Das Geplauder verstummte abrupt, als Richter Hackett auftrat. Er ging gemessenen Schrittes zum Richterstuhl und nahm sich mehr Zeit als sonst, um seine Stifte zu ordnen und in seinem Notizbuch zu lesen, während er darauf wartete, dass die Geschworenen ihre Plätze einnahmen.
»Guten Morgen«, sagte er, nachdem sich alle gesetzt hatten. Seine Stimme klang wie die eines jovialen Onkels. »Meine Damen und Herren Geschworene, der erste Zeuge des heutigen Tages ist Staatsanwalt Spencer Craig. Sie werden sich erinnern, dass sein Name während des Kreuzverhörs von Sir Hugo Moncrieff fiel. Mr. Craig ist weder ein Zeuge der Anklage noch der Verteidigung, sondern wurde vorgeladen, was bedeutet, dass er nicht freiwillig vor diesem Gericht erscheint. Vergessen Sie jedoch nicht, dass Ihre Pflicht ausschließlich darin besteht, eine Entscheidung darüber zu fällen, ob die Aussage von Mr. Craig irgendeine Relevanz für den vorliegenden Fall hat, will heißen, ob der Angeklagte unrechtmäßig aus seiner Haft entwichen ist oder nicht. Über diesen Punkt – und allein über diesen Punkt – werden Sie Ihr Urteil fällen müssen.«
Richter Hackett strahlte die Geschworenen an, dann wandte er sich an den Assistenten der Verteidigung. »Sir Matthew«, sagte er, »sind Sie bereit für den ersten Zeugen?«
Matthew Redmayne erhob sich langsam von seinem Platz. »Das bin ich, Euer Lordschaft«, erwiderte er, rief den Zeugen aber nicht auf. Stattdessen goss er sich ein Glas Wasser ein, dann setzte er seine Brille umständlich auf die Nase und schlug schließlich eine rote Ledermappe auf. Nachdem er sicher war, auf die Begegnung ausreichend vorbereitet zu sein, sagte er: »Ich rufe Mr. Spencer Craig.« Seine Worte klangen wie ein Totenglöckchen.
Ein Polizist trat in den Flur und bellte: »Mr. Spencer Craig!«
Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden richtete sich auf die Tür zum Gerichtssaal. Man wartete auf das Erscheinen des letzten Zeugen. Einen Augenblick später schlenderte Spencer Craig im Talar in den Saal, als sei es einfach nur ein weiterer Tag im Leben eines vielbeschäftigten Anwalts.
Craig trat in den Zeugenstand, nahm die Bibel zur Hand, sah die Geschworenen an und sprach den Eid mit fester, selbstsicherer Stimme. Er wusste, dass sie – und nur sie allein – über sein Schicksal entscheiden würden. Er gab dem Gerichtsdiener die Bibel zurück und drehte sich zu Sir Matthew.
»Mr. Craig«, fing Sir Matthew mit leiser, einlullender Stimme an, als wäre es sein Wunsch, dem Zeugen auf jede nur erdenkliche Weise entgegenzukommen, »wären Sie so freundlich, Ihren Namen und Ihre Adresse für das Protokoll zu nennen?«
»Spencer Craig. Hambledon Terrace 43, London SW 10.«
»Und Ihr Beruf?«
»Ich arbeite als Prozessanwalt für die Staatsanwaltschaft Ihrer Majestät.«
»Ich muss ein so herausragendes Mitglied des juristischen Berufsstandes sicher nicht an die Bedeutung des Eides oder der Autorität dieses Gerichts erinnern?«
»Selbstverständlich nicht, Sir Matthew«, erwiderte Craig. »Obwohl Sie das eben getan zu haben scheinen.«
»Mr. Craig, wann fanden Sie heraus, dass es sich bei Sir Nicholas Moncrieff in Wirklichkeit um Mr. Daniel Cartwright handelte?«
»Ein Freund von mir, der mit Sir Nicholas auf der Schule gewesen war, traf ihn zufällig im Dorchester Hotel. Ihm war gleich klar, dass der Mann ein Betrüger sein musste.«
Alex machte ein erstes Häkchen. Offenbar hatte Craig die erste Frage seines Vaters vorhergesehen und sich eine gute Antwort zurechtgelegt.
»Und warum hat dieser Freund ausgerechnet
Sie
von dieser erstaunlichen Entdeckung in Kenntnis gesetzt?«
»Das hat er nicht, Sir Matthew. Das Thema ergab sich eines Abends beim Essen.« Noch ein Häkchen.
»Wie kam es, dass Sie diesen gewaltigen Sprung ins Ungewisse hinein taten und zu der Schlussfolgerung gelangten, dass es sich bei dem Mann, der sich als Sir Nicholas Moncrieff ausgab, in Wirklichkeit um Daniel Cartwright handelte?«
»Dieser Gedanke kam mir lange nicht«, meinte Craig. »Erst als ich dem vermeintlichen Sir Nicholas eines Abends im Theater vorgestellt wurde und voller Schock die Ähnlichkeit im Aussehen, wenn auch nicht im Verhalten, zwischen ihm und Daniel Cartwright wahrnahm.«
»Haben Sie in diesem Augenblick beschlossen, Kontakt zu Chefinspektor Fuller aufzunehmen und ihn von Ihrer Entdeckung in
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