Das Letzte Plädoyer: Roman
Adidas-Laufschuhe. Rasch zog er seine nassen Sachen aus, trocknete sich ab und zog die sauberen Kleider an. Dann warf er einen prüfenden Blick auf sein Haar in dem kleinen Stahlspiegel an der Wand, bevor er seine Zelle wieder verließ.
Die Gefangenen warteten mittlerweile ungeduldig auf den Beginn der zweiten Halbzeit. Unauffällig gesellte er sich zu ihnen und arbeitete sich langsam, ein Vorwärtsschritt hier, ein Seitwärtsschritt dort, in die Mitte des Gedränges vor. Einen Großteil der zweiten Halbzeit rief die Menge dem Schiedsrichter zu, er solle endlich abpfeifen, damit England das Feld als Eins-zu-Null-Sieger verlassen konnte.
Als dann endlich der Schlusspfiff kam, brach erneut ein Höllenlärm aus. Mehrere Wärter brüllten: »Zurück in die Zellen!« Aber die Gefangenen ließen sich Zeit.
Er drehte sich um und schritt zielgerichtet auf einen bestimmten Beamten zu, um ihn im Vorbeigehen am Ellbogen anzustoßen.
»Passen Sie auf, wohin Sie gehen, Leach«, warnte Mr. Pascoe.
»Tut mir leid, Governor.« Leach ging weiter.
Danny kehrte wieder nach oben zurück. Er wusste, dass Big Al jetzt bereits auf der Krankenstation sein würde, aber er war überrascht, als er Nick nicht in der Zelle vorfand. Er setzte sich an den Tisch und starrte das Foto von Beth an, das immer noch mit Klebeband an der Wand befestigt war. Es brachte die Erinnerung an Bernie zurück. Sie hätten sich das Spiel in ihrer Stammkneipe zusammen angeschaut, wenn … Danny vergaß den Aufsatz, den er am nächsten Tag abgeben musste. Er starrte auf das Foto und versuchte sich einzureden, dass er sie nicht vermisste.
Plötzlich kreischte eine Hupe auf, gefolgt von brüllenden Wärtern. »Zurück in die Zellen!« Wenige Augenblicke später wurde die Tür aufgerissen und ein Beamter schaute herein. »Moncrieff, wo ist Big Al?«
Danny machte sich nicht die Mühe, ihn zu korrigieren – schließlich trug er immer noch Nicks Uhr, Ring und Silberkette, auf die er hatte aufpassen sollen – und sagte einfach nur: »Der ist bei der Arbeit auf der Krankenstation.«
Als die Tür zugeschlagen wurde, fragte sich Danny, warum der Beamte nicht gefragt hatte, wo
er
war. Bei all dem Lärm war es unmöglich, sich auf den Aufsatz zu konzentrieren. Er nahm an, dass ein allzu euphorischer Insasse in diesem Moment in Isolationshaft gebracht wurde, weil er nach dem Sieg Englands ausgelassen gefeiert hatte. Einige Minuten später wurde die Tür vom selben Beamten geöffnet und Big Al schlenderte herein.
»Hi Nick!«, rief er mit lauter Stimme, bevor die Tür zugeschlagen wurde.
»Was soll das denn?«, fragte Danny.
Big Al legte den Finger auf die Lippen, ging zum Klo und setzte sich.
»Sie können mich nicht sehen, so lange ich hier sitze. Also tu so, als ob du arbeitest, und dreh dich nicht um.«
»Aber warum …«
»Halt die Klappe. Hör einfach nur zu.«
Danny nahm seinen Stift und tat so, als würde er sich auf seinen Aufsatz konzentrieren.
»Nick hat sich umgebracht.«
Danny glaubte, sich gleich erbrechen zu müssen. »Aber warum –«
»Ich sagte, du sollst die Klappe halten. Man hat ihn in der Dusche gefunden. Aufgeknüpft.«
Danny schlug mit der Faust auf den Tisch ein. »Das kann unmöglich wahr sein.«
»Klappe, du dämlicher Idiot! Hör mir zu. Ich war auf der Krankenstation, als die Schließer kamen – einer von ihnen sagte: ›Schwester, schnell, Cartwright hat sich umgebracht!‹ Ich wusste, dass das Quatsch war, weil ich dich ja vorher noch beim Fußballspiel gesehen hatte. Also musste es sich um Nick handeln. Er duscht immer, wenn sonst keiner da ist.«
»Aber warum …«
»Denk nicht über das Warum nach, Dannyboy«, erklärte Big Al mit fester Stimme. »Die Schließer und die Stationsschwester sind gleich losgelaufen, darum war ich ein paar Minuten lang allein. Dann kam ein anderer Schließer und hat mich hierhergebracht.«
Jetzt hörte Danny aufmerksam zu.
»Er erzählte mir unterwegs, dass du Selbstmord begangen hättest.«
»Aber die finden doch heraus, dass ich es nicht war, sobald sie …«
»Nein, finden sie nicht«, erklärte Big Al, »weil ich nämlich genug Zeit hatte, um die Namen auf euren Akten auszutauschen.«
»Wie bitte?«, rief Danny ungläubig.
»Du hast mich gehört.«
»Aber du hast doch erzählt, dass die Akten immer unter Verschluss gehalten werden.«
»Ist ja auch so, aber nicht während der Sprechstunde, falls die Schwester etwas zur Krankengeschichte nachschlagen muss. Und sie ist
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