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Das Letzte Protokoll

Das Letzte Protokoll

Titel: Das Letzte Protokoll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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donnert es. Auf dem Fes t land geht das Feuerwerk los, die Raketen fliegen in hohem Bogen auf die Insel zu. Blaue und grüne Leuch t spuren und Funken. Das Donnern kommt immer mit Ve r zögerung, genau wie bei einem Gewitter. Und Misty geht zu ihrer Kleinen und sagt: »Schatz, es hat angefangen.« Sie sagt: »Mach die Augen auf und sieh es dir an.«
    Die Augen immer noch zugeklebt, sagt Tabbi: »Ich muss den Raum kennen lernen, wenn so viele Leute da sind.« Sie tastet sich von einem Fremden zum anderen, die alle wie erstarrt den Himmel beobachten. Sie zählt die Schritte bis zum Ausgang, bis zur Terrasse.

5. Juli
    Bei deiner ersten richtigen Verabredung mit Misty hast du ihr e i ne Leinwand aufgespannt.
    Peter Wilmot und Misty Kleinman sitzen im hohen Gras auf e i nem weiten, unbebauten Grundstück. Sommerbienen und Fli e gen schwirren um sie her. Sie sitzen auf einer karierten Decke, die Misty aus ihrer Wohnung mitgebracht hat. Ihr Farbka s ten, helles Holz unter vergilbtem Firnis, Eckenverstärkungen und Scharniere aus fast schwarz angelaufenem Messing: Misty hat die Beine au f geklappt, der Kasten dient ihr jetzt als Staffelei.
    Falls du dich daran noch erinnerst, blättere weiter.
    Wenn du dich erinnerst: Das Gras war so hoch, dass du es ni e dertrampeln musstest. Du hast uns ein Nest in der Sonne g e macht.
    Es war das Frühjahrssemester, und alle auf dem Campus schi e nen auf dieselbe Idee gekommen zu sein. Aus Gras und Stöc k chen einen CD-Player oder einen Großrechner zu flechten. Aus Wurzeln. Samenhülsen. Es hat stark nach Gummilösung ger o chen.
    Keiner hat eine Leinwand aufgespannt, keiner hat Lan d schaften gemalt. Das war wohl nicht geistreich genug. Aber Peter saß auf dieser Decke in der Sonne. Er knöpfte die Jacke auf und zog se i nen ausgebeulten Pullover hoch. Und darunter, an Brust und Bauch geschmiegt, hatte er eine leere Leinwand, die auf einen Keilra h men gespannt war.
    Statt Sonnencreme zu nehmen, hattest du dir die Haut unter den Augen und auf dem Nasenrücken mit Kohlestift eingeri e ben. Ein großes schwarzes Kreuz mitten im G e sicht.
    Wenn du das jetzt liest, hast du weiß Gott wie lange im Koma gelegen. Langeweile verbreiten, das wäre das Let z te, was dieses T a gebuch tun soll.
    Als Misty dich fragte, warum du die Leinwand unter deinen Kleidern trägst, warum du sie unter deinem Pullover ve r steckst . ..
    Peter sagte: »Um sicher zu sein, dass sie passt.«
    Das hast du gesagt.
    Wenn du dich erinnerst, wirst du wissen, wie du auf einem Grashalm herumgekaut hast. Wie der geschmeckt hat. Deine starken Kiefermuskeln, erst auf einer Seite, dann auf der and e ren, immer weiter hast du gekaut. Mit einer Hand hast du im Gras g e wühlt und Steinchen oder Erdklumpen herausgesucht.
    Mistys Freundinnen, die haben alle was aus Gras geflochten. I r gendein blödes Gerät, das echt genug aussah, um witzig zu wi r ken. Und sich nicht auflöste. Wenn es nicht wirklich so aussah wie ein authentisches prähistor i sches Hightech-Unterhaltungsgerät, haute der ganze Witz an der Sache einfach nicht hin.
    Peter reichte ihr die Leinwand und sagte: »Mal was.«
    Und Misty sagte: »Mit Farben malt man heutzutage nicht mehr.«
    Wenn irgendwelche ihrer Bekannten überhaupt noch malten, dann mit Blut oder Sperma. Und sie bemalten l e bende Hunde aus dem Tierheim oder Wackelpudding, aber garantiert keine Lei n wand.
    Und Peter sagte: »Ich wette, du malst noch auf Lei n wand.«
    »Wieso?«, sagte Misty. »Weil ich zurückgeblieben bin? Weil mir nichts Besseres einfällt?«
    Und Peter sagte: »Nun mal schon.«
    Darstellende Kunst, das sollten sie längst hinter sich haben. Nette Bilder malen. Jetzt war darstellender Sarka s mus gefragt. Misty sagte, man zahle im Studium viel zu viel dafür, die Tec h niken wirkungsvoller Ironie eben nicht zu lernen. Sie sagte, ein nettes Bild habe der Welt nichts zu sagen.
    Und Peter sagte: »Wir sind nicht mal alt genug, dass wir uns Bier kaufen dürfen. Was sollen wir der Welt schon zu sagen h a ben?« Er lag in ihrem Grasnest auf dem Rücken, einen Arm hi n ter seinem Kopf, und sagte: »Alle Anstre n gung der Welt nützt gar nichts, wenn man keine Inspirat i on hat.«
    Falls du es noch nicht gemerkt hast, du dämlicher Idiot, Misty lag wirklich viel daran, dir zu gefallen. Nur um das festzuha l ten: Ihr Kleid, die Sandalen, der weiche Strohhut, nur für dich hatte sie sich so schön angezogen. Hättest du mal ihr Haar berührt, du hä t test es vor Haarspray knistern

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