Das Letzte Protokoll
man Wunder auf B e stellung liefern konnte, sagt er. Etwas, womit man das Zufällige endlos wiederholen konnte. Ein Fließband zur Planung und Pr o du k tion von Spontanem.
Das Mystische vereinigt sich mit der Industriellen Rev o lution.
So wie der Lappen riecht, nachdem du dir damit die Schuhe geputzt hast, so riecht es in diesem Raum. Wie die Innenseite eines schweren Gürtels riecht. Ein dicker L e derhandschuh. Ein Hundehalsband. Der schwache Essiggeruch deines verschwit z ten Uh r armbands.
Das Geräusch von Angels Atem. Die eine Seite ihres G e sichts feucht von seinem Geflüster. Seine Hand um ihre, steif und hart wie ein Fangeisen. Seine Fingernägel in Mistys Haut. Und A n gel sagt: »Fühl alles. Fühl es, und dann sag mir, was dein Mann g e fühlt hat.« Die Worte: »... euer Blut ist unser Gold...«
Die Art und Weise, wie man etwas liest, kann wie ein Schlag ins Gesicht sein.
Draußen vor dem Loch sagt die Hausbesitzerin etwas. Sie klopft an die Wand und wird nun lauter: »Mir egal, was Sie da drin zu tun haben. Aber tun Sie's endlich.«
Angel flüstert: »Sprich es aus.«
Die Wörter sagen: »... ihr seid eine Pest, Bankrott und Müll im Gefolge . ..«
Angel lässt die Finger deiner Frau über jedes einzelne dieser Wörter gleiten. Er sagt: »Sprich es aus.«
Und Misty sagt: »Nein.« Sie sagt: »Das ist doch nur irres Gef a sel.«
Angel lenkt ihre Finger, die er fest umklammert hält, schiebt sie weiter und sagt: »Das sind nur Worte. Die kannst du ausspr e chen.«
Und Misty sagt: »Sie sind böse. Sie ergeben keinen Sinn.«
Die Worte: »... euch alle als Opfergabe abschlachten, jede vie r te Generation . ..«
Seine Haut warm und fest um ihre Finger, flüstert Angel: »W a rum hast du das dann sehen wollen?«
Die Worte: »... die dicken Beine meiner Frau sind voller Krampfadern...«
Die dicken Beine deiner Frau.
Angel flüstert: »Warum bist du dann mitgekommen?«
Weil ihr lieber geliebter, dummer Mann keinen A b schiedsbrief hinterlassen hat.
Weil das ein Teil von ihm ist, den sie nicht gekannt hat.
Weil sie begreifen will, wer er war. Herausfinden, was pa s siert ist.
Misty sagt zu Angel: »Ich weiß es nicht.«
Bauleute der alten Schule, erzählt sie ihm, fangen nie an einem Montag an, ein Haus zu bauen. Immer nur am Samstag. Wenn das Fundament gelegt ist, werfen sie eine Hand voll Roggens a men hinein. Wenn die nach drei T a gen nicht aufgegangen sind, bauen sie das Haus. Sie vergraben eine alte Bibel unter dem Fu ß boden oder mauern eine in die Wände ein. Eine Wand lassen sie immer ung e strichen, bis die Eigentümer kommen. So merkt der Teufel erst, dass das Haus fertig ist, wenn es bereits bewohnt ist.
Angel nimmt etwas aus einem Seitenfach seiner Kamer a tasche, ein flaches silbriges Ding, so groß wie ein Taschenbuch. Vie r eckig und glänzend, ein Flachmann mit leicht gewölbter Oberfl ä che, dein Spiegelbild auf der konkaven Seite ist lang und dünn, auf der konvexen Seite breit und gedrungen. Er reicht Misty die Flasche. Das Metall ist glatt und schwer und hat an einem Ende eine runde Kappe. Das Gewicht verlagert sich, irgendetwas schwappt darin. Seine Kameratasche ist aus zerkratztem grauen Stoff und hat ü berall Reißverschlüsse.
Auf die lange dünne Seite der Flasche ist eingraviert: Für A n gel - Te Amo.
Als sie die Flasche entgegennimmt, berühren sich ihre Finger. Körperkontakt. Flirt.
Nur um das festzuhalten: Das Wetter heute ist teilweise ve r dächtig mit Möglichkeiten zum Verrat.
Und Angel sagt: »Das ist Gin.«
Die Kappe lässt sich abschrauben und baumelt dann an einem kleinen Arm, der sie mit der Flasche verbindet. Ein verheißung s voller Duft strömt heraus, und Angel sagt: »Trink«, und seine Fingerabdrücke sind überall auf ihrem langen, dünnen Spiege l bild. Durch das Loch in der Wand siehst du die Füße der Hau s besitzerin in Wildledermoka s sins stecken. Angel schiebt seine Kamerat a sche vor das Loch.
Irgendwo im Hintergrund hörst du jede einzelne Oz e anwelle rauschen und brechen. Rauschen und brechen.
Die Graphologie sagt, die drei Aspekte einer Persönlichkeit ze i gen sich in der Handschrift. Alles, was unter die Grundlinie eines Wortes falle, die Schleife des kleinen g oder j zum Be i spiel, weise auf dein Unterbewusstsein hin. Was Freud dein Es nennt. Das ist deine animalische Seite. Neigt die sich nach rechts, heißt das, du bist der Zukunft und der Außenwelt zugewandt. Geht die Schle i fe nach links, steckst du in der
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