Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
ihrem Blut badete. Dann zwang sie andere gefangene Frauen, ihr das Blut vom Körper zu lecken. Angeblich weil Handtücher zu hart für ihre Haut waren. Sie rieb sich den ganzen Körper mit Blut ein«, sagt sie. »Berichte darüber haben das Nächstliegende natürlich ausgelassen. Die sexuelle Komponente«, fügt sie trocken hinzu. »Lustmord. Auch wenn die Täterin ernsthaft an die magischen Kräfte von Blut glaubte, ging es um Macht und Sex. Es geht um nichts anderes, gleichgültig ob man eine schöne Fürstin oder eine genetische Anomalie ist, die auf der Ile Saint-Louis aufwuchs.« Wir biegen in die Canterbury Road, fahren durch die mit Bäumen bestandene, wohlhabende Gegend namens Windsor Farms, an deren Rand Diane Bray lebte, ihr Grundstück durch eine Mauer von der lauten Stadtautobahn dahinter getrennt. »Ich würde meine rechte Hand dafür geben, wenn ich erfahren könnte, was in der Chandonneschen Bibliothek steht«, sagt Berger. »Oder vielmehr, was Chandonne im Lauf der Jahre gelesen hat abgesehen von den Geschichtsbüchern und anderen gebildeten Dingen, die ihm sein Vater angeblich gegeben hat, bla, bla, bla. Hat er von der Blutfürstin gehört? Hat er sich mit Blut eingerieben in der Hoffnung, dass es ihn wundersamerweise heilen würde?«
    »Wir glauben, dass er in der Seine und hier im James River gebadet hat«, sage ich. »Möglicherweise aus genau diesem Grund. Um auf wundersame Weise geheilt zu werden.«
    »Klingt biblisch.«
    »Vielleicht.«
    »Vielleicht hat er auch die Bibel gelesen«, fährt sie fort. »War er beeinflusst von dem französischen Serienmörder Gilles Garnier, der kleine Jungen umbrachte, sie fraß und den Mond anheulte? Im Mittelalter gab es eine Menge so genannter Werwölfe in Frankreich. Ungefähr dreißigtausend Leute wurden dessen angeklagt, können Sie sich das vorstellen?« Berger hat viel recherchiert. Das ist offensichtlich. »Und es gibt noch eine unheimliche Variante«, sagt sie. »In der Folklore heißt es, dass man durch den Biss eines Werwolfs selbst zu einem wird. Kann es sein, dass Chandonne versuchte, seine Opfer in Werwölfe zu verwandeln? Um eine Frankenstein-Braut zu finden, jemanden wie er selbst?« Die ungewöhnlichen Überlegungen formieren sich zu einem Ganzen, das wesentlich sachlicher und prosaischer ist, als es sich anhört. Berger nimmt nur voraus, wie die Verteidigung den Fall angehen wird, und eine offensichtliche Strategie besteht darin, die Geschworenen von der grauenhaften Natur seiner Verbrechen abzulenken, indem sie das Hauptaugenmerk auf Chandonnes körperliche Gebrechen, seine angebliche Geisteskrankheit und nicht übersehbare Absonderlichkeit legt. Wenn glaubhaft gemacht werden kann, dass er davon überzeugt ist, ein paranormales Geschöpf zu sein, ein Werwolf, ein Monster, dann ist es unwahrscheinlich, dass die Geschworenen ihn für schuldig befinden und zu einem Leben hinter Gittern verurteilen werden. Vielleicht wird er ein paar Geschworenen sogar Leid tun.
    »Die Silberkugelverteidigung.« Berger spielt auf den Aberglauben an, dass ein Werwolf nur von einer Silberkugel getötet werden kann. »Wir haben einen Berg von Beweisen, aber den hatte die Staatsanwaltschaft im Fall von O.J. Simpson auch. Die silberne Kugel der Verteidigung wird sein, dass Chandonne ein geisteskrankes und bedauernswertes Geschöpf ist.«
    Diane Brays Haus ist ein weißes Haus im Cape-Cod-Stil mi t Krüppelwalmdach, und obwohl die Polizei es freigegeben hat, steht es vollkommen leblos da. Nicht einmal Berger kann es ohne Erlaubnis des Besitzers oder in diesem Fall der Person, die als Vermögensverwalter fungiert, betreten. Wir parken auf der Einfahrt und warten auf Eric Bray, Diane Brays Bruder, der uns den Schlüssel bringen soll.
    »Sie haben ihn beim Trauergottesdienst gesehen.« Berger erinnert mich daran, dass Eric Bray die Urne mit den sterblichen Überresten seiner Schwester getragen hat. »Wie, glauben Sie, hat Chandonne eine erfahrene Polizistin dazu gebracht, ihm die Tür zu öffnen.« Bergers Aufmerksamkeit wendet sich von den Ungeheuern im mittelalterlichen Frankreich ab und dem sehr realen Schlachthaus vor unseren Augen zu.
    »Die Antwort darauf fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, Ms. Berger. Es wäre besser, wenn Sie Ihre Fragen auf die Leichen und die Ergebnisse der Autopsien beschränken.«
    »Im Moment gibt es keinen Zuständigkeitsbereich, nur Fragen.«
    »Ist dem so, weil Sie annehmen, dass ich nie vor Gericht auftreten werde, zumindest

Weitere Kostenlose Bücher