Das letzte Revier
ganz genau weiß, wer ich bin. »Es gibt professionelle Reinigungsfirmen«, sage ich leise. »Sie sollten sich mit einer in Verbindung setzen und das Haus säubern lassen, bevor Sie oder ein anderes Familienmitglied hineingehen. Service Master zum Beispiel.« Ich habe diesen Rat schon vielen Familien gegeben, deren Angehörige einen gewaltsamen Tod zu Hause starben. Niemand sollte mit dem Blut und Gehirn seiner Angehörigen konfrontiert werden.
»Sie können ohne uns ins Haus?«, fragt er mich. »Die Leute vom Reinigungsdienst?«
»Bringen Sie ihnen einen Schlüssel. Ja, sie kümmern sich um alles, ohne dass Sie dabei sein müssen«, sage ich. »Sie bürgen und sind versichert.«
»Das werde ich machen. Wir wollen das Haus verkaufen«, sagt er zu Berger. »Wenn Sie es nicht mehr brauchen.«
»Ich werde Ihnen Bescheid geben«, sagt sie. »Aber als Eigentümer können Sie mit dem Besitz machen, was Sie wollen, Mr. Bray.«
»Keine Ahnung, ob jemand das Haus kaufen will nach dem, was passiert ist«, murmelt er.
Weder Berger noch ich sagen etwas dazu. Wahrscheinlich hat er Recht. Die meisten Menschen wollen nicht in einem Haus leben, in dem jemand ermordet wurde. »Ich habe schon mit einem Makler gesprochen«, fährt er mit tonloser Stimme fort , die seine Wut verrät. »Er hat gesagt, dass er es nicht will. Es tue ihm Leid und so weiter, aber er will das Haus nicht in seine Liste aufnehmen. Ich weiß nicht, was ich machen soll.« Er starrt auf das dunkle, tote Haus. »Wissen Sie, niemand aus der Familie stand Diane wirklich nahe. Ihr lag nicht viel an ihrer Familie und ihren Freunden. Nur an ihr selbst lag ihr etwas. Ich weiß, dass ich das nicht sagen sollte. Aber es ist nun mal die Wahrheit.«
»Haben Sie sie oft gesehen?«, fragt ihn Berger. Er schüttelt den Kopf, nein. »Ich kannte sie wahrscheinlich am besten, weil wir nur zwei Jahre auseinander sind. Wir wussten alle, dass sie mehr Geld hatte, als zu erklären war. An Thanksgiving schaute sie bei mir vorbei, sie kam mit diesem brandneuen roten Jaguar.« Er lächelt bitter und schüttelt erneut den Kopf. »Da war mir klar, dass sie in etwas drinsteckte, von dem ich lieber nichts wissen wollte. Ich bin nicht wirklich überrascht.« Er holt tief Luft. »Nicht wirklich überrascht, dass sie so ein Ende genommen hat.«
»Wussten Sie, dass sie mit Drogen zu tun hatte?« Berger nimmt den Ordner in den anderen Arm.
Mir wird langsam kalt, und das dunkle Haus zieht uns an wie ein schwarzes Loch.
»Die Polizei hat Andeutungen gemacht. Diane hat nie über ihre Arbeit gesprochen, und wir haben, ehrlich gesagt, nicht gefragt. Soweit wir wissen, hat sie auch kein Testament gemacht. Jetzt müssen wir uns auch noch damit herumschlagen. Und was mit ihren Sachen passieren soll.« Eric Bray blickt zu uns auf, sein Elend ist nicht zu übersehen. »Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll.« Um einen gewaltsamen Tod wird in den Medien immer viel Wirbel gemacht. Aber das hier sind Dinge, die im Kino nicht vorkommen und über die nichts in der Zeitung steht: die Menschen, die zurückbleiben, und ihre schrecklichen Sorgen. Ich überreiche Eric Bray meine Karte und sage ihm, er soll im Büro anrufen, wenn er noch Fragen hat. Ich gebe ihm di e üblichen Auskünfte und erzähle ihm von einem Büchlein, das wir in der Gerichtsmedizin haben, einen hervorragenden Ratgeber mit dem Titel Was ist zu tun, nachdem die Polizei gegangen ist, verfasst von Bill Jenkins, dessen junger Sohn vor zwei Jahren bei einem Raubüberfall auf ein Fast-Food-Restaurant ermordet wurde. »Das Buch wird viele Ihrer Fragen beantworten«, sage ich. »Es tut mir Leid. Ein gewaltsamer Tod fordert viele Opfer. So ist es leider nun mal.«
»Ja, Ma'am, da haben Sie Recht«, sagt er. »Ja, ich möchte alles lesen, was Sie haben. Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagt er noch einmal. »Ich bin hier, wenn Sie Fragen haben. Ich bleibe hier im Auto sitzen.«
Er schließt die Tür. Meine Brust ist eng. Sein Schmerz rührt mich, aber für seine ermordete Schwester bringe ich kein Mitgefühl auf. Das Bild, das er von ihr gemalt hat, macht sie mir im Gegenteil noch unsympathischer. Nicht einmal ihr eigen Fleisch und Blut hat sie anständig behandelt. Berger schweigt, als wir die Treppe hinaufgehen, und ich spüre wie immer ihren prüfenden Blick auf mir. Sie interessiert sich für alle meine Reaktionen. Sie weiß, dass ich Diane Bray und was sie versuchte meinem Leben anzutun nicht ausstehen kann. Ich gebe mir keine
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