Das letzte Revier
Waffenschmugglerkartells, von dem wir jetzt glauben, dass e s Verbindungen zur Chandonne-Familie unterhält. Lucy hat unabsichtlich eine DEA-Agentin verletzt, Jo, die zugleich ihre Geliebte ist. Bürokratischer Kram ist gar kein Ausdruck.
»Aber ich bin nicht sicher, ob du das mit Jo weißt«, sage ich. »Ihre HIDTA-Partnerin.«
»Ich weiß nicht, was HIDTA ist.«
»High Intensity Drug Trafficking Area. Eine Spezialeinheit, zusammengesetzt aus Mitgliedern verschiedener Ermittlungsund Polizeibehörden wie ATF, DEA, FBI, Miami- Dade, die Gewaltverbrechen bearbeiten«, erkläre ich. »Als der Einsatz vor zwei Wochen in die Hose ging, bekam Jo einen Schuss ins Bein. Es stellte sich heraus, dass die Kugel aus Lucys Waffe stammte.« Anna hört zu, nippt an ihrem Scotch.
»Lucy hat also versehentlich Jo angeschossen, und als Nächstes kam natürlich ihre persönliche Beziehung ans Licht«, fahre ich fort. »Die schwer gelitten hat. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, was jetzt mit den beiden los ist. Aber wenigstens ist Lucy hier. Ich denke, sie wird über die Feiertage bleiben. Was dann ist - keine Ahnung.«
»Ich wusste nicht, dass sie und Janet sich getrennt hatten«, sagt Anna.
»Schon vor einer ganzen Weile.«
»Das tut mir sehr Leid.« Diese Neuigkeit bekümmert sie wirklich. »Ich mochte Janet sehr.«
Ich schaue auf meinen Suppenteller. Es ist lange her, dass Janet ein Gesprächsthema war. Lucy erwähnt sie mit keinem Wort. Mir wird klar, dass ich Janet sehr vermisse. Und ich glaube noch immer, dass sie einen stabilisierenden, positiven Einfluss auf meine Nichte hatte. Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass ich Jo eigentlich nicht mag. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht weil sie nicht Janet ist, denke ich, während ich einen Schluck von meinem Drink nehme.
»Und Jo ist in Richmond?« Anna will mehr hören. »Ironischerweise ist sie von hier, obwohl das nichts mit ihrer Geschichte zu tun hat. Sie haben sich in Miami über die Arbeit kennen gelernt. Jo wird noch einige Zeit brauchen, bis sie wieder gesund ist, und wohnt jetzt bei ihren Eltern. Frag mich nicht, ob das gut ist. Sie sind fundamentalistische Christen und sind vom Lebensstil ihrer Tochter nicht gerade begeistert.«
»Lucy macht es sich nie einfach«, sagt Anna, und sie hat Recht. »Schießereien und noch mehr Schießereien. Woran liegt es nur, dass sie immer wieder auf jemanden schießt? Dem Himmel sei Dank, dass sie nicht wieder getötet hat.«
Das Gewicht auf meiner Brust wird schwerer. Mein Blut scheint sich in Schwermetall verwandelt zu haben.
»Woran liegt es, dass sie immer töten muss?«, bohrt Anna. »Was diesmal passiert ist, macht mir Sorgen. Wenn es stimmt, was im Fernsehen gesagt wurde.«
»Ich habe nicht ferngesehen. Ich weiß nicht, was dort berichtet wird.« Ich nippe an meinem Drink und denke wieder an Zigaretten. Ich habe so oft aufgehört zu rauchen.
»Sie hätte ihn beinahe umgebracht, diesen Franzosen, Jean-Baptiste Chandonne. Sie hat mit der Pistole auf ihn gezielt, aber du konntest sie abhalten.« Annas Augen bohren sich durch meinen Schädel, suchen nach Geheimnissen. »Erzähl du es mir.« Ich schildere, was passiert ist. Lucy war ins Medical College of Virginia gefahren, um Jo aus dem Krankenhaus zu holen, und als sie kurz nach Mitternacht vor meinem Haus vorfuhren, waren Chandonne und ich im Garten. Die Lucy, die ich in Gedanken heraufbeschwöre, ist eine Fremde, eine gewalttätige Person, die ich nicht kenne. Ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit von Wut verzerrt, als sie mit der Pistole auf ihn zielte, den Finger am Abzug, und ich flehte sie an, nicht zu schießen. Sie schrie ihn an, verfluchte ihn, während ich ihr zurief, nein, nein, Lucy, nein! Chandonne hatte unerträglich e Schmerzen, war geblendet, schlug um sich, rieb sich Schnee in die vom Formalin verbrannten Augen, heulte und bat um Hilfe. An diesem Punkt unterbricht Anna meine Geschichte. »Sprach er französisch?«, fragt sie.
Die Frage trifft mich unvorbereitet. Ich versuche, mich zu erinnern. »Ich glaube ja.«
»Du verstehst also französisch?«
Ich zögere. »Ich habe es in der High-School gelernt. Ich weiß nur, dass ich ganz sicher war, dass er mich anschrie, ihm zu helfen. Ich schien zu verstehen, was er sagte.«
»Hast du versucht, ihm zu helfen?«
»Ich habe versucht, ihm das Leben zu retten, Lucy daran zu hindern, ihn zu töten.«
»Das hast du für Lucy getan, nicht für ihn. Du hast nicht wirklich versucht, ihm das Leben
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