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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Verhaltensmuster der menschlichen Natur. Ich begegne ihm tagtäglich.«
    »Es geht nicht um meinen Vater.« Ich nehme meinen Löffel.
    »Und auch nicht um meine Kindheit, und um die Wahrheit zu sagen, meine Kindheit könnte mir im Augenblick nicht gleichgültiger sein.«
    »Es geht ums Nicht-Fühlen.« Sie setzt sich wieder auf ihren Stuhl. »Darum, dass du gelernt hast, nicht zu fühlen, weil es zu schmerzhaft wäre, etwas zu fühlen.« Die Suppe ist zu heiß, und beiläufig rührt sie darin mit einem schweren, gravierten silbernen Löffel. »Als Kind konntest du mit dem bevorstehenden Verhängnis in deinem Haus nicht leben, mit der Angst, der Trauer, dem Zorn. Du hast die Schotten dicht gemacht.«
    »Manchmal muss man das.«
    »Es ist nie gut.« Sie schüttelt den Kopf.
    »Manchmal kann man nur so überleben«, widerspreche ich ihr. »Die Schotten dicht machen heißt verdrängen. Wenn man die Vergangenheit verleugnet, muss man sie wiederholen. Du bist der lebende Beweis dafür. Seit jenem ursprünglichen Verlust war dein Leben ein Verlust nach dem anderen. Ironischerweise hast du den Verlust zu deinem Beruf gemacht, die Ärztin, die die Toten hört, die Ärztin, die neben dem Bett der Toten sitzt. Deine Scheidung von Tony. Marks Tod. Dann letztes Jahr der Mord an Benton. Dann Lucy in einer Schießerei, bei der du sie beinahe verlierst. Und jetzt schließlich du selbst. Dieser grauenhafte Mann kommt zu dir nach Hause, und beinahe hättest du auch noch dich verloren. Verluste über Verluste.«
    Der Schmerz über den Mord an Benton ist erschreckend frisch. Ich fürchte, dass er immer frisch bleiben wird, dass ich der Leere, dem Echo der leeren Räume in meiner Seele und der Not in meinem Herzen nie entkommen werde. Ich werde erneut wütend, wenn ich an die Polizisten in meinem Haus denke, die gedankenlos Dinge berühren, die Benton gehörten, die seine Bilder streifen, Schmutz auf dem schönen Teppich i m Esszimmer hinterlassen, den er mir zu Weihnachten schenkte. Niemand weiß davon. Niemand interessiert sich dafür.
    »Wenn ein Muster wie dieses«, sagt Anna, »nicht durchbrochen wird, gewinnt es eine nicht mehr zu bremsende Energie und saugt alles in ein schwarzes Loch.«
    Ich erwidere, dass mein Leben kein schwarzes Loch ist. Ich leugne nicht, dass es ein Muster gibt. Ich müsste blind sein, um es nicht zu sehen. Aber in einem Punkt bin ich völlig anderer Ansicht. »Es stört mich ganz erheblich, dich implizieren zu hören, ich hätte ihn dazu gebracht, mich heimzusuchen«, sage ich zu ihr und meine wieder Chandonne, dessen Namen auszusprechen mir nahezu unerträglich ist. »Ich hätte alles daran gesetzt, um mir einen Mörder ins Haus zu holen. Wenn ic h richtig höre. Ist es das, was du implizierst?«
    »Das frage ich dich.« Sie buttert ein Brötchen. »Das frage ich dich, Kay«, wiederholt sie bedrückt.
    »Anna, wie um Himmels willen kannst du annehmen, dass ich mir meinen eigenen Mörder ins Haus hole?«
    »Weil du weder die erste noch die letzte Person wärst, die so etwas tut. Das ist kein bewusster Vorgang.«
    »Ich tue so etwas nicht. Weder unterbewusst noch unbewusst.«
    »Die Sache hat viel von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Du. Dann Lucy. Sie wurde fast zu dem, was sie bekämpft. Pass auf, wen du dir als Feind suchst, denn ihm wirst du ähnlich werden«, bringt Anna Nietzsche ins Spiel. Sie zitiert Dinge, die sie mich in der Vergangenheit hat sagen hören. »Ich habe nicht gewollt, dass er zu mir kommt, es auf mich absieht«, wiederhole ich langsam und tonlos. Nach wie vor will ich Chandonnes Namen nicht aussprechen, um ihm nicht die Macht einer realen Person über mich zu geben.
    »Woher wusste er, wo du wohnst?«, fährt Anna mit ihren Fragen fort.
    »Im Lauf der Jahre wurde es in der Presse mehrmals erwähnt - leider«, sage ich. »Ich weiß nicht, woher er meine Adresse kannte.«
    »Du meinst, er ist in die Bibliothek gegangen und hat deine Adresse auf Mikrofilm rausgesucht? Diese so schrecklich missgestaltete Kreatur, die selten bei Tag das Haus verließ? Diese Missgeburt mit Hundekopf, deren Gesicht, deren Körper mit langen Lanugo-Haaren bedeckt ist, jeder Zentimeter bewachsen mit farblosen Haaren? Er soll in eine öffentliche Bibliothek gegangen sein?« Die absurde Annahme hängt schwer im Raum.
    »Ich weiß nicht, woher er sie kannte«, wiederhole ich. »Sein Versteck ist nicht weit von meinem Haus entfernt.« Ich beginne mich aufzuregen. »Schieb mir nicht die Schuld in die

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