Das letzte Revier
McGovern sitzen vor dem Kamin und malen Szenarien aus, die umso wilder werden, je mehr Alkohol die beiden trinken. Weihnachten enteilt uns. Um halb elf Uhr abends packen wir endlich die Geschenke aus, und Marino spielt etwas abgespannt den Weihnachtsmann, teilt Pakete aus und versucht, feierlich zu sein. Aber seine Laune ist düster, und wenn er lustig sein will, klingt er bissig. Um elf Uhr klingelt das Telefon. Es ist Berger.
»»Quidproquo?«, fängt sie an und meint den Brief vom 5. Dezember 1997. »Wie viele Personen ohne juristisches Vorwissen benutzen diesen Ausdruck? Es ist nur eine Idee, aber ich frage mich, ob wir Rocky Caggianos DNS kriegen können. Wir müssen jeden Stein umdrehen und dürfen nicht von vornherein annehmen, dass Carrie die Briefe geschrieben hat. Vielleicht war sie es. Vielleicht aber auch nicht.«
Ich kann mich nicht konzentrieren, als ich zu den Weihnachtsgeschenken zurückkehre. Ich versuche zu lächeln und tue fürchterlich dankbar, aber ich kann niemanden hinters Licht führen. Lucy schenkt mir eine Breitling-Uhr namens B52, und Marino überreicht mir einen Gutschein für ein Jahr Brennholz, das er persönlich liefern und sachgemäß stapel n wird. Lucy gefällt die Whirly-Girls-Kette, die ich für sie habe machen lassen, und Marino freut sich über die Lederjacke von Lucy und mir. Anna würde die Glasvase gefallen, die ich für sie gefunden habe, aber sie ist irgendwo unterwegs auf der I-95. Alle beeilen sich, weil uns Fragen beschäftigen. Wir sammeln Bänder und zerris senes Papier ein, und ich gebe Marino zu verstehen, dass ich mit ihm allein reden will. Wir setzen uns in die Küche. Schon den ganzen Tag über ist er mehr oder weniger betrunken, und ich vermute, dass der heutige Tag keine Ausnahme ist. Er muss einen Grund dafür haben. »Du kannst nicht weiter so trinken«, sage ich, als ich uns beiden ein Glas Wasser eingieße. »Das hilft auch nicht.«
»Hat es noch nie, und wird es auch nie.« Er reibt sich das Gesicht. »Aber das ist vollkommen egal, weil ich mich sowieso verdammt beschissen fühle. Im Augenblick ist wirklich alles Scheiße.« Er sieht mich aus trüben, blutunterlaufenen Augen an. Und wieder habe ich den Eindruck, als wollte er gleich in Tränen ausbrechen.
»Hast du irgendwas, wovon wir Rockys DNS bekommen könnten?«, frage ich ihn ohne Umschweife.
Er zuckt zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. »Was hat Berger gesagt, als sie angerufen hat? War es seinetwegen? Wegen Rocky?«
»Sie hakt nur ab«, sage ich. »Alle, die mit uns oder Benton in Verbindung stehen und Kontakte zum organisierten Verbrechen haben. Und da fällt einem natürlich Rocky ein.« Ich erzähle ihm, was Berger über Benton und den Fall Susan Pless gesagt hat. »Aber er hat diese verrückten Briefe und Anrufe auch schon gekriegt, bevor Susan ermordet wurde«, sagt er. »Warum sollte ihm jemand drohen, noch bevor er seine Nase in irgendwas reingesteckt hat? Warum sollte Rocky das tun? Und ich nehme mal an, du denkst, dass Rocky ihm die Scheißbriefe geschickt hat.« Ich habe keine Antwort darauf. Ich weiß es nicht. »Du wirst DNS von Doris und mir nehmen müssen, weil ich nicht s von Rocky habe. Nicht mal ein Haar. Das geht doch, oder? Wenn du die DNS von Mutter und Vater hast, dann kannst du sie doch mit der DNS aus dem Speichel vergleichen, oder?«
»Wir könnten einen Stammbaum anlegen und zumindest rausfinden, dass dein Sohn als Beiträger der DNS auf den Briefmarken nicht ausgeschlossen werden kann.«
»Okay.« Er atmet laut aus. »Wenn du es so willst. Meinst du, dass ich hier drin rauchen kann, jetzt, wo Anna nicht mehr da ist?«
»Wag es ja nicht. Was ist mit Rockys Fingerabdrücken?«.
»Vergiss es. Außerdem sieht es nicht so aus, als hätte Benton mit den Fingerabdrücken Erfolg gehabt. Er hat die Briefe auf Fingerabdrücke überprüfen lassen, und es scheint nichts dabei herausgekommen zu sein. Und ich weiß, dass du das nicht hören willst, Doc, aber weißt du eigentlich, warum du dich auf diese Sache einlässt? Veranstalte keine Hexenjagd, bloß weil du es der Person, die Benton diese Briefe geschickt hat und vielleicht auch irgendwas mit seinem Tod zu tun hat, heimzahlen willst. Das ist es nicht wert. Vor allem wenn du Carrie im Verdacht hast. Sie ist tot. Lass sie verfaulen.«
»Mir ist es das wert«, sage ich. »Wenn ich herausfinden kann, wer ihm diese Briefe geschickt hat, dann ist es mir das wert.«
»Hm. Er hat gesagt, dass er im Letzten Revier enden wird.
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