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Das letzte Revier

Das letzte Revier

Titel: Das letzte Revier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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seines Rituals. Er hat mit den Fingern gemalt.«
    »Nachdem sie tot war.«
    »Vermutlich. Auf diesem Foto« - ich zeige es ihr - »sieht man deutlich die Schusswunde vorne in ihrem Hals. Die Kugel traf ihre Halsschlagader und das Rückgrat. Sie war vom Hals abwärts gelähmt, als er sie in den Lagerraum schleifte.«
    »Und verblutete. Wegen der zerschossenen Halsschlagader.«
    »Genau. Man sieht das Muster der arteriellen Blutspritzer an den Regalen, an denen er sie vorbeizog.« Ich beuge mich vor und zeige sie ihr auf mehreren Fotos. »Das Blut spritzte zuerst in hohem Bogen heraus, und je weiter er sie schleifte, umso niedriger und schwächer wurden die Blutspuren.«
    »War sie bei Bewusstsein?« Berger ist fasziniert und zugleich grimmig.
    »Die Verletzung des Rückgrats führte nicht sofort zum Tod.« »Wie lange überlebte sie mit dieser Blutung?«
    »Minuten.« Ich finde ein Autopsiefoto, auf dem das Rückgrat zu sehen ist, nachdem es aus dem Körper entfernt wurde und auf einem grünen Tuch liegt, daneben ein weißes Lineal als Maßstab. Das glatte cremefarbene Rückgrat ist an der Stelle, wo die Kugel zwischen dem fünften und sechsten Halswirbel Luongs Nacken durchdrang, gequetscht, lilablau verfärbt und teilweise durchtrennt. »Sie war sofort gelähmt«, erkläre ich, »di e Quetschung deutet darauf hin, dass sie noch einen Blutdruck hatte, ihr Herz schlug noch, aber das wissen wir schon von den Blutspritzern am Tatort. Ja. Sie war wahrscheinlich bei Bewusstsein, als er sie an den Füßen durch den Gang in den Lagerraum schleifte. Ich kann jedoch nicht sagen, wie lange sie bei Bewusstsein war.«
    »Sie war also in der Lage, zu sehen, was er tat, und sie sah ihr eigenes Blut aus ihrem Hals schießen, während sie verblutete?« Bergers Gesicht ist angespannt, sie ist voller Energie, die sich in ihren Augen spiegelt.
    »Das hängt wiederum davon ab, wie lange sie bei Bewusstsein war«, sage ich.
    »Aber es ist im Bereich des Möglichen, dass sie die ganze Zeit, die er sie den Gang entlang in den Lagerraum schleifte, bei Bewusstsein war?«
    »Absolut.«
    »Konnte sie sprechen oder schreien?«
    »Es kann sein, dass sie dazu nicht in der Lage war.«
    »Aber es heißt nicht, dass sie bewusstlos war, nur weil niemand sie schreien hörte?«
    »Nein, nicht notwendigerweise«, sage ich. »Wenn man in den Hals geschossen wurde, verblutet und an den Beinen geschleift wird.«
    »Insbesondere von jemandem, der so aussieht wie er.« »Ja. Sie könnte zu viel Angst gehabt haben, um zu schreien. Er könnte ihr auch gesagt haben, sie solle den Mund halten.«
    »Gut.« Berger scheint erfreut. »Woher wissen Sie, dass er sie an den Füßen gehalten hat, während er sie zog?«
    »Von den blutigen Schleifspuren, die ihre langen Haare hinterließen, und von den Blutspuren ihrer Finger oberhalb ihres Kopfes«, erkläre ich. »Wenn man gelähmt ist und an den Füßen gezogen wird, breiten sich die Arme aus, wie wenn man Enge l im Schnee macht.«
    »Würde man sich nicht impulsiv an den Hals fassen und versuchen, die Blutung zu stoppen?«, fragt Berger. »Aber das kann sie nicht. Sie ist gelähmt und bei Bewusstsein, sieht sich selbst beim Sterben zu und ahnt wahrscheinlich, was er als Nächstes tun wird.« Sie macht eine wirkungsvolle Pause. Sie denkt an die Geschworenen, und mir wird klar, dass sie ihren unglaublichen Ruf nicht zufällig erworben hat. »Diese Frauen mussten wirklich leiden«, sagt sie leise.
    »Daran besteht kein Zweifel.« Meine Bluse ist feucht, und mir ist wieder kalt.
    »Haben Sie sich vorgestellt, dass er die gleichen Grausamkeiten mit Ihnen machen würde?« Sie blickt mich herausfordernd an, als wollte sie, dass ich alles erforsche, was mir durch den Kopf ging, als Chandonne sich Zugang zu meinem Haus verschaffte und mir seinen Mantel über den Kopf werfen wollte. »Können Sie sich erinnern, was Sie dachten? Was für Gefühle hatten Sie? Oder geschah alles so schnell -«
    »Sehr schnell«, unterbreche ich sie. »Ja, es ging schnell. Und dauerte ewig. Unsere inneren Uhren hören auf zu ticken, wenn wir in Panik geraten und um unser Leben kämpfen. Das ist kein medizinischer Fakt, sondern eine persönliche Beobachtung«, füge ich hinzu und taste mich durch meine Erinnerungen, die nicht vollständig sind.
    »Minuten können Kim Luong wie Stunden erschienen sein«, sagt Berger. »Es hat wahrscheinlich nur Minuten gedauert, als Chandonne Sie durch Ihr großes Zimmer verfolgte. Wie lang erschien es Ihnen?« Sie

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