Das letzte Riff
wird’s nie lernen«, knurrte Allday.
Bolitho sah von all dem nichts. »Fahr’ jetzt heim und warte nicht. Du wirst dich hier nur erkälten.«
Catherine ließ ihn so langsam los, daß sie ihn bei ausgestreckten Armen gerade noch mit den Fingerspitzen berühren konnte.
»Ich habe ja das Medaillon«, sagte er.
Sie antwortete: »Ich werde es dir abnehmen, Liebster, wenn wir wieder zusammenliegen.«
Dann schritt er die Treppe hinunter, wobei der alte Degen gegen seine Hüfte schlug. Kurz grüßte er den Offizier und den Bootssteurer. »Ich bin soweit.« Er setzte sich neben Allday, zog den Wachmantel enger um sich und drückte seinen Hut fest.
»Ruder an – zugleich!«
Die Riemen hoben und senkten sich, und mit hart übergelegter Pinne drehte die Barkasse schnell von der glitschigen Treppe weg. Das stetige Auf und Ab, der rhythmische Schlag übertönte den Schmerz ihrer Trennung. Er war wieder in das Leben auf See eingetaucht, das er seit seinem zwölften Lebensjahr kannte. Später, in seiner Kajüte, würde er jede einzelne Stunde mit ihr wieder heraufbeschwören. Ihre Spaziergänge, das Glück der Stille, das Verstehen, die plötzliche, alles verlangende Liebe, die sie atemlos zurückließ.
Er wandte sich um, sah das Land verschwinden und die verankerten Kriegsschiffe näher kommen.
Meine Welt.
Aber so sehr er es auch versuchte, noch gelang es ihm nicht, die private Welt zu verdrängen. Die Entbehrungen in der Jolle hatten selbst ihn noch etwas gelehrt: Es gab eine Kameradschaft über alle Ränge und Titel hinweg, und diese verläßliche Treue hatte Catherine und ihre Zofe vor allem bewahrt, trotz der Gefahr, die sie von allen Seiten bedrohte.
Er sah sich um, als hätte er ihre Stimme gehört. Aber die Kaimauer war hinter den Wellen schon verschwunden. Da schaute er wieder nach vorn. Die Bootsgasten wichen seinem Blick aus, obwohl die meisten ihn kannten. Aber die anderen an Bord und dann die, die im Geschwader in tropischer Hitze auf ihn warteten, sie mußten ihn erst noch kennenlernen. Wie alle, denen er begegnet war und die er wieder verlassen hatte auf seinem langen Weg bis hierher.
Keen war sicher froh, ohne Begleitung und Verantwortung für einen Konvoi zu segeln. Er würde Zeit finden, seine Männer auszubilden, bis sie mit jeder anderen Besatzung mithalten konnten. Er war jetzt wieder der alte Draufgänger. Es mußte eine bewegende Heimkehr zu dem Mädchen mit den Mondscheinaugen gewesen sein: der Seemann und die Meerjungfrau.
Bolitho merkte, wie Allday sich bewegte. »Da liegt sie, Sir Richard.« Sein Ton verriet weder Reue noch Freude. Die
Black
Prince
war eben sein Schiff, sein Schicksal.
Bolitho beschattete die Augen und merkte, wie Allday ihn besorgt musterte. Die
Black Prince
wirkte so viel größer als das nächste verankerte Linienschiff, das immerhin vierundsiebzig Kanonen aufwies. Winzige Figuren arbeiteten auf ihren Rahen und im Topp, andere rannten die Seitendecks entlang oder standen in Gruppen um Decksoffiziere und Leutnants geschart. Ein Schiff, auf das man stolz sein konnte – doch eins ohne Vergangenheit und Erinnerungen.
Um seine wandernden Gedanken zur Ruhe zu bringen, sagte Bolitho leise: »Ich bin froh, daß du eine Dame für dein Herz gefunden hast, John. Ich hoffe, ihr bleibt auch in Zukunft zusammen.«
Es hatte wenig Zweck, Allday daran zu erinnern, daß er jederzeit den Dienst quittieren konnte. Er hatte den Ruhestand längst verdient, viel mehr als die meisten. Jetzt, da die Wunde von dem spanischen Säbel ihm immer wieder Schmerzen in der Brust bereitete, hätte er wenigstens die Chance wahrnehmen sollen, das Leben an Land zu genießen. Aber so ein Angebot war zwecklos. Bolitho hatte es schon früher versucht. Allday wurde dann nur ärgerlich – schlimmer noch: Er fühlte sich beleidigt.
Allday antwortete: »Mrs. Polin ist eine wunderbare Frau, Sir Richard. Ich verstehe nicht, was sie an dem armen Jonas fand.« Er kicherte. »Möge er in Frieden ruhen!«
Keiner von beiden beachtete die neugierigen Blicke der Bootsgasten. Denn ein Bootssteurer, der mit seinem Admiral so vertraulich schwatzte, war in der Kriegsmarine kein alltäglicher Anblick.
»Wir haben eine Vereinbarung getroffen«, fuhr Allday fort.
»Ich bleibe an meinem Platz, und sie wird keinen anderen an Bord nehmen.« Unsicher schaute er Bolitho an. »Jetzt hoffen wir, daß auf dieser Reise nichts dazwischenkommen wird, sie und ich.«
Bolitho legte ihm eine Hand auf den Arm. »Laß uns davon nicht
Weitere Kostenlose Bücher