Das letzte Riff
reden, alter Freund.« Er versuchte zu lächeln. »Die Guten sterben jung. Also sind wir wohl gefeit.«
Beim Hochblicken sah Bolitho den Bugsprit der
Black Prince
über sich vorbeiziehen. Tojohns steuerte die Barkasse so eng um ihren Bug, wie es See und Wind gerade noch erlaubten. Die wild dreinblickende Galionsfigur hing drohend über ihnen: Edward, Prince of Wales, Sohn Edwards des Dritten, in Kettenhemd und schwarzem Brustpanzer. Nur ein kleiner Farbfleck glänzte auf seinem Umhang, die Lilien und englischen Löwen. Drohend schien er jeden Feind angreifen zu wollen – wie damals an jenem furchtbaren Morgen, als sie das französische Schiff besiegten, das Herricks
Benbow
in eine zerschossene Hulk verwandelt hatte.
Bolitho fühlte wie immer einen Kloß in der Kehle, als er die Ehrenwache an der Eingangspforte angetreten sah, das Blau und Weiß der Marineoffiziere, das Scharlachrot der Seesoldaten. Ob die Angetretenen wohl ahnten, daß er selber dabei auch nervös war?
Die Barkasse schor an die Bordwand heran. Bolitho drückte seinen Hut fest auf den Kopf und dachte an Catherines Überraschung, als er sich seinen Zopf hatte abnehmen und eine kurze Frisur hatte schneiden lassen, die Allday als »Unsitte der blutjungen Leutnants« bezeichnete. Allday selbst trug immer noch einen der längsten Zöpfe der ganzen Navy.
»Sind Sie bereit, an Bord zu gehen, Sir Richard?« fragte er jetzt leise. Die Barkasse fiel und stieg, zerrte an der Vorleine, als wolle sie mit Gewalt die Bemühungen des Bugmanns vereiteln, sie an den Rüsten zu halten.
Bolitho nickte, schob seinen Degen zur Seite und griff nach den Handläufen. Nur ein einziger falscher Schritt, und er würde stürzen. Doch dann war er plötzlich, fast ohne es zu merken, schon durch die Eingangspforte getreten und stand auf dem Batteriedeck.
Die Pfeifen schrillten, die Musketen mit den aufgepflanzten Bajonetten knallten bei den Exerziergriffen der Wache, der Degen des Wachhabenden blitzte. Immer wieder beeindruckte ihn diese Zeremonie. Dann begrüßte ihn Keen, und sein Gesicht lächelte jungenhaft wie früher.
»Willkommen an Bord, Sir Richard!«
Sie wechselten einen festen Händedruck, und Bolitho meinte mit verlegenem Lächeln: »Ich bedaure, daß Ihr eigener Kommodorewimpel noch auf sich warten läßt. Aber das Schicksal war wohl gegen uns.«
Keen grinste. »Macht überhaupt nichts, Sir Richard. Wie der arme Stephen Jenour bin ich nicht scharf auf eine Trennung.«
Bolitho nickte den versammelten Offizieren zu, sah Neugier in vielen Gesichtern, Hoffnung in anderen. Für ihre Karriere waren alle auf ihn angewiesen. Er war ihre Zukunft – so oder so.
»Ich verschwinde gleich nach achtern, Val. Sie haben es bestimmt eilig, ankerauf zu gehen.« Im Umdrehen sah er eine Gruppe Männer vor einem Leutnant antreten.
»Der Mann da, Val …«
»Alles neue Leute, Sir Richard. Aber den Sie meinen, das ist William Owen, Ausguck auf der
Golden Plover
an jenem unglücklichen Tag.«
Bolitho sagte: »Lassen Sie ihn hier, er hat einen Schutzbrief. Nach allem, was er für uns getan hat …«
Keen unterdrückte ein Lächeln. »Owen ist freiwillig an Bord, Sir. Er wollte mit uns zusammenbleiben.« Damit führte er den überraschten Bolitho nach achtern.
In der großen Kajüte warteten schon Jenour und Ozzard. Bolitho schaute sich um. Catherines Schrank mit dem Weinkühler stand wieder da, wo er hingehörte.
Entschuldigend sagte Ozzard: »Wir haben noch nicht alles verstauen können, Sir Richard, aber frischer Kaffee ist gebrüht.« Er war sichtlich stolz auf das, was er in der kurzen Zeit erreicht hatte. Bolitho fiel auf, daß Ozzard nie den Wunsch geäußert hatte, an Land zu bleiben. Nach dem Schiffbruch hätte er ein Recht dazu gehabt.
Eine offene Seekiste stand auf dem schwarz-weiß gewürfelten Boden, darin entdeckte er neue Bücher, in grünes Leder gebunden und mit feinem Gold verziert. »Was ist denn das?«
Ozzard wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Von Lady Catherine, Sir Richard. Sie kamen mit dem Wachboot.« Keen sah Bolithos Rührung und wandte sich mit Jenour zum Gehen. »Ozzard, bringen Sie Sir Richard seinen Kaffee«, sagte er noch.
Die Tür schloß sich hinter ihnen. Bolitho kniete nieder und sah sich die Büchersammlung genauer an. Es waren all die Dramen, die er beim Untergang der
Golden Plover
verloren hatte. Und die gesammelten Sonette von William Shakespeare. Catherine hatte die Bücher mit großer Sorgfalt ausgesucht, denn die
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