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Das Letzte Ritual

Das Letzte Ritual

Titel: Das Letzte Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yrsa Sigurdardottir
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der Bischof die Briefe loswerden und sie nicht zusammen mit anderen kirchlichen Dokumenten aufbewahren wollte.«
    »Diese Erklärung ist aber ziemlich heikel«, sagte Dóra. »Wenn er die Briefe loswerden wollte – warum hat er sie dann nicht verbrannt?«
    Matthias konzentrierte sich darauf, einen Parkplatz direkt vor Haralds Wohnung zu finden. »Ich weiß nicht. Vielleicht sah er den heiligen Petrus und Gott vor sich und wollte keine Aufmerksamkeit auf den Inhalt der Briefe lenken, indem er sie verbrannte – Rauch steigt zum Himmel auf, wissen Sie.«
    »Sie glauben also, die Briefe sind echt?«, fragte Dóra.
    »Nein, das habe ich nicht gesagt. Es gibt gewisse unlogische Stellen.«
    »Zum Beispiel?«
    »In erster Linie die Bezugnahme auf das so genannte abscheuliche Buch Kramers. Der Verfasser der Briefe schreibt, es sei verziert und ausgeschmückt gewesen, was aber den teuflischen Ursprung seines Inhalts nicht habe verhehlen können.«
    »Könnte er denn nicht den Hexenhammer gemeint haben?«
    »Das passt nicht zusammen«, entgegnete Matthias. »Historische Quellen besagen, dass diese hübsche Lektüre erst ein Jahr später herausgegeben wurde, 1486.«
    »Wurde denn das Alter von Papier und Tinte der Briefe bestimmt?«, fragte Dóra.
    »Ja, das stimmt ungefähr, aber das hat nicht viel zu sagen. Fälscher verwenden altes Papier und alte Tinte oder Farbe, um Forscher zu täuschen.«
    »Alte Tinte?«, fragte Dóra zweifelnd.
    »Ja, so in etwa. Sie stellen Tinte aus alten Materialien her oder lösen Tinte anderer alter Dokumente, die nicht so wertvoll sind, auf. Damit erzielen sie denselben Effekt.«
    »Unglaublich umständlich«, kommentierte Dóra und dankte dem lieben Gott dafür, keine Fälscherin geworden zu sein.
    »Hm«, stimmte Matthias zu und sie stiegen aus dem Auto.
    »Aber warum hat Harald die Briefe mit nach Island genommen?«, fragte sie. »Hielt er sie für echt oder gefälscht?«
    Matthias schlug die Fahrertür zu und öffnete die Hintertür. Er wickelte das Futteral in seine Jacke und legte sie vorsichtig auf den Karton. Dann bückte er sich und hob den Karton heraus. Falls ihm im Pullover kalt war, ließ er sich das nicht anmerken.
    »Harald war von ihrer Echtheit überzeugt – ihn faszinierte das Geheimnis, wen oder was Kramer durch die in dem Brief angekündigte Rache verlor. Harald hat alle möglichen Dokumente in ganz Deutschland verzweifelt nach Hinweisen durchforstet und sogar die Bibliothek im Vatikan besucht. Aber er hat nichts gefunden, was ihm weitergeholfen hätte. Über Kramer ist nur wenig bekannt, er lebte schließlich vor über fünfhundert Jahren.«
    Dóra entdeckte im Schnee Fußspuren, die um die Hausecke herumführten und auf die Eingangstür von Haralds Wohnung zuliefen. Mit dem Kinn deutete sie auf die frischen Spuren – sie führten nur in eine Richtung, konnten also nicht vom Postboten oder vom Zeitungsausträger stammen.
    Der Mann stand ein Stück von der Eingangstür entfernt. Er war zurückgetreten, um zum Fenster in der oberen Etage hinaufzuschauen. Als Matthias und Dóra lautlos um die Ecke bogen, zuckte er zusammen. Er schaute sie mit offenem Mund an und stammelte etwas Unverständliches, bis er endlich die richtigen Worte gefunden hatte. »Kanntet ihr Harald Guntlieb?«

17. KAPITEL
    »Seid gegrüßt. Ich heiße Gunnar Gestvík, Leiter der Historischen Fakultät der Universität Islands.«
    Der Mann trat unsicher von einem Bein aufs andere. Er war gut gekleidet und trug eine schicke Winterjacke mit einem Markennamen, den Dóra aus dem Kleiderschrank ihres Ex-Mannes kannte, darunter einen Anzug, aus dessen Halsausschnitt ein sorgfältig gebundener Krawattenknoten und ein hellblauer Hemdkragen hervorlugten. Seine ganze Erscheinung ließ darauf schließen, dass es sich um einen seriösen Menschen mit einem guten Job handelte. Allerdings war seine Seriosität im Moment schwer in Mitleidenschaft gezogen. Dieser Gunnar hatte ganz offensichtlich nicht damit gerechnet, jemandem zu begegnen, und versuchte verzweifelt, sich unauffällig zu verhalten. Dóra wusste sofort, dass dies der Mann war, der Haralds Leiche gefunden hatte, oder besser gesagt, dem sie in die Arme gefallen war. Es war ihr ein Rätsel, was er im Haus seines ehemaligen Studenten zu suchen hatte. Vielleicht gehörte das zur Verarbeitung des traumatischen Erlebnisses und sein Psychotherapeut hatte ihm dazu geraten.
    »Ich war gerade zufällig in der Nähe und wollte nachsehen, ob jemand zu Hause ist«,

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