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Das letzte Sakrament

Das letzte Sakrament

Titel: Das letzte Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kowa
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man für niemanden gefährlich. Trotzdem konnte man in dem Alter schon die Welt verändern.
    Natürlich war es nicht die schnellste Art zu reisen, aber die Zeit arbeitete ohnehin für ihn. Er war froh, Rom hinter sich gelassen zu haben. Die Stadt war ein Moloch aus verstopften Straßen, unzähligen Touristen und einer alles überstrahlenden Scheinheiligkeit.
    Seine Anwesenheit auf dem Schiff würde nicht weiter auffallen, dessen war er sich sicher. Falls ihn doch jemand bemerkte, war er einfach nur ein Vater mit seinem Sohn. Der Kleine machte das Versteckspiel gerne mit, schließlich war er es gewohnt.
    Wismut ließ das Meer noch eine Weile vor sich hin plätschern, dann ging dann wieder in seine Kabine zurück und schloss die Tür hinter sich. Er öffnete eine Verbindungstür zur Nachbarkabine und schaute in das rechteckige Reisebettchen. Jesus schlief. Wismut nahm den kleinen Stoffhasen, der aus dem Bettchen gefallen war und legte ihn neben den Jungen. Der Hase war abgewetzt und alt, aber der Junge mochte ihn. Er mochte vieles, was alt war.
    Er kommt gar nicht nach seinem Vater. Der Professor musste grinsen. Nein, er ist genau wie sein Vater . Dann erst fiel ihm die Ironie auf, und er lachte laut auf. Wen meinte er eigentlich damit? Sich selbst? Jesus? Oder jemand ganz anderen?
    Hatten nicht Generationen von Genforschern das Wissen gemehrt, auf dem er nun aufbauen konnte? Schon 1962 hatte James Watson zusammen mit Francis Crick und Rosalind Franklin den Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung der DNA bekommen. Mehr als zwanzig Genetiker hatten sich seitdem den Preis abgeholt, aber noch nie war ein Wissenschaftler dabei gewesen, der sich mit den Klonen von Lebewesen beschäftigte. Man könnte meinen, die Reproduktionsmedizin sei das schwarze Schaf der Wissenschaft.
    Selbst Ian Wilmut und Keith Campbell, die 1996 das erste Lebewesen geklont hatten, waren bisher leer ausgegangen. Und das, obwohl sie mit Dolly ein weißes Schaf geklont hatten und kein schwarzes. Wenn das kein deutliches Zeichen war …
    Würde er selbst einmal den Nobelpreis in Händen halten? Wenn ich nicht Jesus geklont hätte, sondern irgendeinen stinknormalen Menschen, wäre er mir trotz der Abneigung gegen die Reproduktionsmedizin irgendwann sicher. Aber es hatte Jesus sein müssen. Das war schon immer das Ziel seiner Forschungen gewesen. Für keinen anderen hätte er Woche für Woche siebzig Stunden gearbeitet. Nein, für einen normalen Klon hätte er nicht die immense Summe in seine Forschungen investiert, mit der man eine kleine Karibikinsel kaufen konnte, mitsamt Strand, Villa und Cocktailversorgung auf Lebenszeit.
    Doch ein Leben in Luxus interessierte ihn nicht. Und auch keine ebenso langbeinigen wie langweiligen Schönheiten. Nein, ihn interessierte nicht der Ruhm, der Nobelpreis oder schnödes Geld; ihn interessierte nur eines: die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.

50
    Schwarz. Tiefstes Schwarz. Alex Pandera rieb sich die Augen. War er blind? Es machte keinen Unterschied, ob seine Augen offen waren oder geschlossen. Er sah nichts. Und er hatte Schmerzen. Überall.
    Ja, sie hatten ihn gefangen genommen, da war er sich sicher, obwohl seine Erinnerung mit dem Besuch des Cafés endete. Er tastete seinen Körper ab. Seine Anzughose war an den Knien aufgerissen, und er fühlte Blut, auch unter seinem Jackett. In seinen Haaren hatte sich so viel Staub gesammelt, als läge er schon Monate hier. Er fasste sich an den Hinterkopf und fuhr vorsichtig über die blutverkrustete Beule. Sein Schädel fühlte sich an, als hätten sie ihn aufgeschlagen wie ein rohes Ei.
    Er fasste in seine Jacketttasche. Die Schmerzen schossen bis hoch in die Schulter. Natürlich war sein Portemonnaie nicht mehr da, sein Ausweis, seine Kreditkarten, sein Geld – alles weg. Auch sein Mobiltelefon und seine Dienstwaffe. Er überlegte, ob er um Hilfe rufen sollte, aber dann fiel ihm ein, dass so was nur Idioten in Hollywoodfilmen machten. Wenn er einen Vorteil hatte, dann den, dass niemand wusste, dass er aufgewacht war. Und diesen Vorteil würde er nicht leichtfertig aufs Spiel setzen.
    Mühsam stand Pandera auf und tastete mit ausgestreckten Armen durch den tiefschwarzen Raum. Von oben strömte kühle Luft herein. Seine Hände berührten eine Wand. Sie war kalt und schien nicht verputzt zu sein. Er strich über die Steine. Was war das? Eine Tür? Aus Stahl? Der Raum war klein, vielleicht drei auf vier Meter. Er ertastete einen Holztisch, einen Stuhl, eine Matratze und

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