Das letzte Theorem
Diffie und Martin Hellman etwas? Wenn ja, was fällt Ihnen zu diesen beiden Männern ein?«
Leicht verwirrt durch diesen abrupten Wechsel sowohl des Themas als auch des Gebarens, das Bledsoe nun an den Tag legte - gleichzeitig ermutigt, weil sich das Gespräch nun um einen Bereich drehte, in dem er sich auskannte, antwortete Ranjit: »Public-key-Kryptografie, natürlich. Einen Namen haben Sie noch ausgelassen - Merkle. Ein Pionier der asymmetrischen Kryptografie. Diese drei Männer entwickelten das Diffie-Hellman-Merkle-Verfahren.«
»Exakt«, stimmte Bledsoe zu. »Ihnen brauche ich wohl nicht zu erzählen, dass die Diffie-Hellman-Methode veraltet ist. Der Grund dafür sind die Quanten-Computer.«
Selbstverständlich wusste Ranjit Bescheid. Obwohl er sich nie sonderlich für Codes oder das Knacken von Codes interessiert hatte - bis auf das eine Mal, als er versucht hatte, das Computer-Passwort eines Professors herauszufinden -, war jeder ernsthafte Mathematiker auf der Welt im Großen und Ganzen informiert.
Die Diffie-Hellman-Methode basierte auf einer ziemlich einfachen Idee, nur dass man mit deren Umsetzung warten musste, bis es wirklich sehr leistungsfähige Computer gab. Der erste Schritt, eine Nachricht zu codieren, bestand darin, sie als eine Reihe von Zahlen darzustellen. Das Simpelste wäre gewesen, wenn man den Buchstaben A durch eine Eins, B durch eine Zwei und so weiter ersetzt hätte, bis man bei Z angekommen war, das durch die Zahl Sechsundzwanzig dargestellt wurde. (Natürlich hätte kein Krytopgraf, der älter als zehn Jahre alt war, dieses stupide System gewählt.) Danach konnte man diese Zahlen mit einer enorm großen Zahl - wir nennen sie »N« - kombinieren, und das in einer Weise, dass das ursprüngliche Äquivalent nicht mehr zu erkennen war. Dazu genügte, dass man diese Zahlen einfach mit dem extrem hohen Faktor »N« addierte.
Aber N besaß sein eigenes Geheimnis. Die Kryptografen erzeugten es, indem sie zwei große Primzahlen miteinander multiplizierten. Jeder gute Computer schaffte diese Art von Multiplikation im Bruchteil einer Sekunde, doch wenn diese beiden hohen Primzahlen erst einmal multipliziert waren, dauerte es eine halbe Ewigkeit, herauszufinden, welche zwei Zahlen man gewählt hatte. Selbst die besten Computer benötigten Jahre für diese Berechnung. Daher stammte die Bezeichnung »Falltür-Zahl« - man kam leicht hinein, aber ein Herauskommen war praktisch unmöglich.
Trotzdem hatte die Public-key-Kryptografie, wie sie genannt wurde, einen gewaltigen Vorteil. Jeder Mensch konnte jede beliebige
Nachricht nach diesem Verfahren chiffrieren - zum Beispiel ein Mitglied der französischen Resistance im Zweiten Weltkrieg, dem die Gestapo dicht auf den Fersen war. Angenommen, dieser gejagte Mensch verfügte über wichtige Informationen, meinetwegen wusste er, in welche Richtung so und so viele Panzerdivisionen der Deutschen unterwegs waren. Dann konnte er noch in aller Eile diese Botschaft verschlüsseln und irgendwo hinterlegen. Doch nur die Leute, die beide Primzahlen kannten, waren in der Lage, die Nachricht zu lesen.
Bledsoe trank einen Schluck von seinem sich rasch abkühlenden Kaffee. »Es ist nämlich so, Subramanian«, fuhr er fort, »zur Zeit spielt sich auf der Welt eine ganze Menge ab, das von ungeheurer Tragweite ist - Sie dürfen mich nur nicht fragen, worum es sich handelt. Ich selbst habe nur den Schimmer einer Ahnung, und nicht mal meine vagen Vermutungen darf ich Ihnen mitteilen. Doch jetzt ist es wichtiger denn je, dass unser Code nicht geknackt werden kann. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, Botschaften absolut sicher zu verschlüsseln, aber ohne diesen Hokuspokus mit den Primzahlen. Und Sie sollen uns dabei helfen, dieses Chiffrierverfahren zu entwickeln.«
Am liebsten hätte Ranjit laut gelacht. Seit Diffie-Hellman 1972 ihren Aufsatz veröffentlicht hatten, arbeitete jede Chiffrier-Abteilung auf der Welt daran, ein derartiges Verfahren zu erfinden. Und von ihm verlangte man, dass er eine derart bombensichere Methode der Kodierung quasi aus dem Hut zauberte.
»Wieso gerade ich?«, fragte er.
Bledsoe schaute selbstgefällig drein. »Als ich in den Fernsehnachrichten erfuhr, dass Sie den Beweis für Fermats Letzten Satz gefunden hatten, gingen bei mir sämtliche Lichter an. Alle Mathematiker, die an diesem Public-key-Zeug arbeiten, benutzen doch diesen sogenannten Fermat-Test, nicht wahr? Und wer könnte mehr darüber wissen als der Mann, der gerade
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