Das letzte Theorem
vorhergehenden Schritte wieder rückgängig zu machen, schalteten sämtliche Maschinen und Geräte wieder ein, und die Orgie war vorbei.
Warum hatten die Anderthalben so etwas getan?
Nun, sie handelten aus einem Grund, den die meisten Menschen sehr gut hätten nachvollziehen können. Die Anderthalben, ob sie nun ihre Panzer trugen oder nackt ihre ausgezehrten kleinen organischen Körper präsentierten, sahen nicht im mindesten wie menschliche Wesen aus, aber etwas hatten diese beiden Rassen gemeinsam. Kein Anderthalber wollte sterben, ohne einen lebenden Nachkommen zu hinterlassen, der seinen Platz ausfüllen sollte.
Die Gefahr, dass in dem bevorstehenden Kampf einige oder sogar alle von ihnen den Tod finden würden, war sehr hoch. Und dieses kollektive Paaren, der zügellose Gruppensex, wenn man so will, diente dazu, die meisten - mit einem bisschen Glück alle - weiblichen Anderthalben zu schwängern. Die dreizehn Erdenjahre, die ihnen noch blieben, ehe es zum finalen Konflikt kam, waren die Mindestzeit, die sie brauchten, um die kümmerlichen Neugeborenen, diese armen Würmchen, in die Brutmaschinen zu stecken, wo sie heranreiften, bis sie in das Stadium der Pubertät eintraten.
Und in dem Bewusstsein, dass sie in ihren Kindern weiterleben würden, konnten die Eltern sich in aller Ruhe auf den Angriff konzentrieren.
Selbstverständlich hatte kein Mensch von diesen Vorgängen die geringste Ahnung, deshalb gingen alle neun Milliarden Bewohner
der Erde ihren üblichen Alltagsgeschäften nach, nicht ahnend, dass von diesem Tag an ihre eigenen Neugeborenen eine Lebenserwartung hatten, die kaum über die Pubertät hinausging. Nicht lange, nachdem ihre Kinder die ersten Anzeichen von sexueller Reife spürten, würden sie vom Antlitz der Erde weggefegt werden.
29
Hoffnungsschimmer
Ranjit begann sein nächstes Seminar nicht mit Goldbachs Vermutung. Myra schlug ihm etwas anderes vor, und er hatte gelernt, dass er gut beraten war, wenn er auf sie hörte.
Am ersten Unterrichtstag verwendete er eine volle Stunde lang darauf, technische Fragen zu beantworten. Er erklärte, wie er bei seinen Tests und bei der Benotung vorgehen wollte, kündigte an, wann das Seminar ausfallen musste, weil er anderweitige Verpflichtungen zu erfüllen hatte, und lernte einige der Studenten näher kennen. Schließlich fragte er: »Wie definieren Sie eine Primzahl?«
Fast jeder hob die Hand. Ein paar der eifrigeren Studenten warteten gar nicht erst ab, bis jemand aufgerufen wurde, sondern platzten mit ihren Definitionen einfach heraus: Eine Primzahl ist eine positive ganze Zahl, die nur durch eins und durch sich selbst teilbar ist.
Der Anfang war schon einmal vielversprechend. »Sehr gut«, lobte Ranjit. »Dann ist also zwei eine Primzahl, und drei ist ebenfalls eine. Vier hingegen kann nicht nur durch sich selbst, sondern auch durch zwei geteilt werden, also ist sie keine Primzahl. Nächste Frage: Wie findet man heraus, ob eine Zahl eine Primzahl ist?«
Im Raum machte sich Unruhe breit, aber niemand hob die Hand. Ranjit grinste. »Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, nicht wahr? Es gibt eine Reihe von Kniffen, die manche Leute ausgetüftelt haben, aber um sie anwenden zu können, benötigt man einen leistungsfähigen Computer. Doch eine
Möglichkeit, Primzahlen zu finden, erfordert nichts außer ein bisschen Nachdenken und Schreibzeug - und garantiert, dass man jede Primzahl entdeckt, die es gibt, wobei nach oben keine Grenzen gesetzt sind. Diese Methode heißt ›Der Primzahlensieb des Eratosthenes‹. Jeder kann diesen Sieb benutzen. Das Einzige, das er dazu braucht, sind Hände zum Schreiben und ein bisschen Zeit.«
Er drehte sich um und schrieb eine Reihe von Zahlen - von eins bis zwanzig - an die Tafel. Während des Schreibens erklärte er: »Der Primzahlensieb funktioniert so … Sehen Sie sich diese Zahlenreihe an. Ignorieren Sie die Eins. In der Zahlentheorie hat man sich darauf geeinigt, so zu tun, als gäbe es die Eins nicht und als wäre sie keine Primzahl. Denn so gut wie jeder Lehrsatz über Zahlentheorie verliert seine Gültigkeit, wenn man die Eins mit einschließt. Infolgedessen ist die erste Zahl in dieser Reihe die Zwei. Und jetzt gehen Sie hin und streichen jede hier aufgeführte gerade Zahl durch. Das heißt, jede Zahl nach der ursprünglichen Zwei, die durch zwei teilbar ist - also, vier sechs, acht und so fort.«
Er drehte sich wieder zur Tafel um und machte einen Strich durch diese Zahlen. »Danach ist die
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