Das letzte Theorem
computergesteuerte Solarsegel daran, die darauf programmiert waren, automatisch zum Grand Central zu fliegen. Dort sammelte man diesen Schrott ein und verarbeitete ihn. Aus unkontrolliert durchs All treibenden Brocken, die eine große Gefahr für Raumschiffe darstellten, war schlicht und ergreifend irgendein Rohmaterial geworden, das
geborgen und zum Bau von allen möglichen Dingen wiederverwertet wurde. »Natürlich macht Skyhook es möglich, Rohstoffe von der Erdoberfläche aus in den Orbit zu verfrachten«, sprach Vorhulst weiter, während er gleichzeitig ein Currygericht verdrückte, das sogar Myras hohen Ansprüchen genügte. »Aber warum sollte man das Zeug verschwenden, das schon da oben herumschwirrt?«
»Und das hast du im Orbit gemacht - Müll zum Recyceln eingesammelt?«
Vorhulst blickte verlegen drein. »Nicht nur. Ich wollte mich davon überzeugen, dass das dritte Schiff einsatzbereit ist. Das Schiff, das zum Mond fliegen soll. Ich nehme an, ihr wisst Bescheid, dass seit ein paar Jahren Erkundungsroboter da oben fleißig die Bodenbeschaffenheit erforschen. Und sie haben jede Menge dieser Lavaröhren aufgespürt, von denen ich damals in meinem Astronomieunterricht gesprochen habe …«
»Moment mal«, fiel Ranjit ihm erstaunt ins Wort. »Davon hatte ich keine Ahnung. Die Berichte, die man an das Beratergremium geschickt hat, sind ziemlich unergiebig. Von einer Monderforschung dieser Art stand nichts drin.«
»Ich weiß, dass die Mitteilungen ziemlich knapp gehalten sind«, gab Vorhulst zu. »Aber wir hoffen, dass die drei Regierungen, die das Projekt überwachen, die Geheimhaltungsvorschriften ein bisschen lockern, denn seit der Entdeckung der Lavaröhren hat sich die Situation geändert. Eine dieser Röhren befindet sich direkt unter dem Sinus Iridium - der ›Regenbogenbucht‹. Sie ist einfach phantastisch! Als wir sie entdeckten, war es, als wären wir auf Gold gestoßen!«, schwärmte er. »Ihre Länge beträgt eintausendachthundert Meter, das sind fast zwei Kilometer, man stelle sich vor! Das Schiff Nummer drei wird die Maschinen hinbringen, die man braucht, um die Röhre zu versiegeln. Und jetzt verrate ich euch was!« Mit verschwörerischer Miene beugte er sich vor und sprach im Flüsterton weiter: »Lunar Development hat einen tollen Plan! Man will die Röhre so ausgestalten, dass man dort Touristen unterbringen kann.«
Myra verzog das Gesicht. Sie wirkte skeptisch. »Touristen? Soweit ich weiß, leben zurzeit mal gerade elf Leute in der Mondkolonie, und allein ihre Verpflegung und die Versorgung mit Atemluft kostet ein Vermögen.«
Vorholst schmunzelte. »Die Zeiten gehören der Vergangenheit an. Die Mondkolonie verschlang Unsummen, als sämtliche Güter noch von der Erde aus mit Raketen hochgeschossen werden mussten. Aber jetzt haben wir ja den Skyhook! Und es wird möglich sein, Touristen in großer Anzahl auf den Mond zu bringen. Und um ihnen einen Anreiz zu geben, diese Reise zu buchen, haben Russland, China und die USA einen Deal mit dem Olympischen Komitee ausgehandelt.«
Natasha, die bis jetzt ungewöhnlich still gewesen war, zeigte jähes Interesse. »Was für ein Deal ist das?«
»Auf dem Mond sollen demnächst Wettkämpfe in Sportarten abgehalten werden, die auf der Erde nicht möglich sind, Tashy. Denn die Schwerkraft des Mondes beträgt nur 1,6 m/s 2 und deshalb …«
Natasha hob beide Hände. »Bitte, Dr. Vorhulst!«
»Also schön, anders ausgedrückt, wer auf der Erde 100 Kilo wiegt, würde auf dem Mond nur 16 Kilo wiegen. Das heißt, dass dort, unter den Bedingungen einer viel geringeren Schwerkraft, auch bei sportlichen Wettkämpfen andere Regeln gelten. Sämtliche hier auf der Erde erzielten Rekorde, sei es im Laufen, Springen und so weiter würden auf dem Mond gebrochen. Ich bin mir noch nicht einmal sicher, ob selbst die Sinus-Iridium-Röhre hoch genug ist, um Stabhochsprung zuzulassen.«
Nun war Ranjit an der Reihe, Skepsis anzumelden. »Glaubt jemand im Ernst, dass Leute vierhunderttausend Kilometer weit reisen würden, um sich anzusehen, wie Sportler besonders hoch springen oder besonders schnell laufen?«
»Ja, ich zum Beispiel glaube, dass es genug Menschen gibt, die sich darum reißen würden, so etwas mitzuerleben«, bekräftigte Vorhulst. »Und Lunar Development geht fest davon aus.
Aber die herkömmlichen Sportarten sind keineswegs die Hauptattraktion. Wie ich eingangs sagte, soll es Disziplinen geben, die auf der Erde unmöglich wären. Was würdet ihr
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