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Das letzte Theorem

Das letzte Theorem

Titel: Das letzte Theorem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pohl Clarke
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vor den Gesichtern ihrer Eltern herum. »Ich darf am Rennen teilnehmen!«
    Ranjit hatte nie daran gezweifelt, dass sie sich qualifizieren würde, aber er ging auf ihre ausgelassene Stimmung ein, umarmte sie und hob sie ein Stück vom Boden hoch … um sie ganz schnell wieder abzusetzen, denn seine Tochter war bereits drei Zentimeter größer als er, und ihr ganzer Körper schien nur aus kräftigen Muskeln zu bestehen. Myra küsste Natasha, um ihr zu gratulieren, und dann las sie gründlich das Dokument durch, das das offizielle Siegel des Internationalen Olympischen Komitees trug. »Sieben Segler nehmen an dem Rennen teil«, bemerkte sie. »Wer ist dieser R. Olsos aus Brasilien? Auch ein Solarsegler-Pilot. Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.«
    Natasha fing übermütig an zu kichern. »Das ist Ron«, klärte sie ihre Mutter auf. »Ronaldinho Olsos, der Hundertmeter-Läufer, den du auf dem Mond kennengelernt hast.«
    Myra blickte ihre Tochter fragend an. »Wann hat er das Laufen aufgegeben, um ein Solarsegler-Pilot zu werden? Und warum hat er die Sportart gewechselt?«

    »Ach«, entgegnete Natasha in beiläufigem Ton, »ich glaube, ich bin schuld daran. Er schien immer ein bisschen neidisch zu sein auf das, was ich tue. Seit wir uns bei der Mondolympiade getroffen haben, stehen wir in ständigem Kontakt.«
    »Ich verstehe«, erwiderte Myra, die keine Ahnung gehabt hatte, dass ihre Tochter mit dem jungen Brasilianer in Verbindung geblieben war. Aber sie war auch einmal ein Teenager gewesen und konnte sich noch gut daran erinnern, dass sie ihre Eltern auch nicht über ihre Freundschaften mit Jungen informiert hatte. Damals fand sie, je weniger ihre Mutter und ihr Vater von ihren ersten zaghaften Experimenten mit dem anderen Geschlecht erführen, umso besser. Und deshalb verzichtete sie jetzt darauf, ihre Tochter nach Details auszufragen. Sie schickte das Hausmädchen in die nächstgelegene Bäckerei, die gute Waren produzierte, um einen Festtagskuchen zu kaufen. Sie selbst dekorierte die Torte dann mit einem halbwegs erkennbaren Bild des Solarsegelschiffs, mit dem Natasha das Rennen antreten würde, und beim Abendessen wurde die gute Nachricht vom IOC gebührend gefeiert.
    Für die Subramanians waren Feste nichts Ungewöhnliches. Da sie auf diesem Gebiet über eine beträchtliche Erfahrung verfügten, waren sie so etwas wie Meister im Feiern, und nachdem Natasha die Kerzen auf ihrem Kuchen ausgepustet und sich etwas gewünscht hatte (aber nur in Gedanken, denn dieser Wunsch durfte nicht ausgesprochen werden, vor allen Dingen nicht vor ihren Eltern), herrschte allgemein eine harmonische, unbeschwerte Stimmung. Und dann schlang Robert seine Arme um Natasha und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Daraufhin blickte sie erschrocken drein. Verdutzt wandte sie sich an ihre Eltern. »Ist das wahr? Ihr wollt, dass Robert in die Kirche geht?«
    »Nicht in die Kirche«, verbesserte Ranjit. »In die Sonntagsschule. Wir haben uns erkundigt und meinen, dass der Unterricht, der dort erteilt wird, gut für ihn wäre. Er hört die Geschichten über Jesus, erfährt, was es mit der Bergpredigt auf
sich hat, und so fort. Und Surash würde es glücklich machen, wenn er weiß, dass die Enkel meines Vaters nicht völlig ohne Religion aufwachsen.«
    Natasha schüttelte ärgerlich den Kopf. »Mir macht es nichts aus, ohne Religion groß zu werden. Robert hat mir gesagt, dass ich auch hingehen soll! Also wirklich, glaubt ihr, ich hätte nicht genug zu tun? Ich muss für die Schule arbeiten, Sonnensegeln trainieren …«
    »Es wäre ja nur an einem Abend in der Woche«, stellte ihre Mutter klar. »Und du gingst auch nicht in die Sonntagsschule, sondern in die Jugendgruppe der Kirche, die für Teenager gedacht ist. Sicher, dort wird hin und wieder auch über die Bibel gesprochen, aber die meiste Zeit wird auf Projekte verwendet, die dazu dienen sollen, die Welt ein bisschen besser zu machen.«
    »Und im Augenblick«, fügte ihr Vater hinzu, »unterstützt die Gruppe Bandara seniors Wahlkampf. Ich dachte mir, da würdest du vielleicht gern mithelfen.«
    Selbstverständlich wollte Natasha sowie der Rest ihrer Familie, dass Gaminis Vater der nächste Präsident Sri Lankas würde. Dr. Dhatusena Bandara hatte die Universität dazu bewogen, den Solarsegler-Simulator zu bauen, in dem Natasha nun trainierte. Und aufgrund der Tatsache, dass sie auf diese Möglichkeit zum Üben zurückgreifen konnte, standen ihre Chancen, bei dem anstehenden Rennen gut

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